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Helenendorf: Schwäbischer Pioniergeist im Kaukasus

Aufstieg und Niedergang einer russlanddeutschen Siedlung
Helenendorf: Schwäbischer Pioniergeist im Kaukasus Herbst 1817: Von Ulm fuhr die Auswanderer auf den „Ulmer Schachteln“ die Donau abwärts

Sie wanderten als arme Handwerker und Bauern aus - ihre Nachkommen kehrten mit leeren Händen wieder zurück. 1817 wanderten schwäbische Untertanen ins heutige Aserbaidschan aus. Sie gründeten die Siedlung Helenendorf, erarbeiteten sich teils immensen Reichtum und prägten die fruchtbare Region. Doch nach 125 Jahren war alles verloren. Der Verleger und Autor Ulrich Mohl hat die Geschichte Helenendorfs nachgezeichnet.

Berlin, im Juli 2010 – Die Aussicht, in den Weiten Russlands unentgeltlich zu beträchtlichem Grundbesitz zu kommen, hat viele landarme Familienväter bewogen, nach „Neurussland“ zu ziehen, zumal ihnen Zar Alexander I., Sohn einer württembergischen Prinzessin, langjährigen Verzicht auf Abgaben, Befreiung vom Militärdienst, Selbstverwaltung und ungehinderte Religionsausübung zugesichert hatte.

Die stattliche Sankt Johannes-Kirche bauten die Helenendorfer Mitte des 19. Jahrhunderts. Im Jahr 1857 wurde sie eingeweiht.

Im Sommer 1817 begann der Exodus - ab Ulm auf der Donau hinunter bis zum Delta im Schwarzen Meer. Solche Schiffsreisen dauerten bis zu acht Wochen, und fast täglich waren durch sengende Hitze und ansteckende Krankheiten Todesfälle zu beklagen.

Bis sie endlich in der seit langem verlassenen Tatarensiedlung Chanochlar eintrafen, auf deren Boden sie Helenendorf gründen, sollten fast zwei entbehrungsreiche Jahre vergehen.

Vesper während der Weinlese in Helenendorf

Ende 1818 ließen sich 135 schwäbische Familien in dem Ort nieder. Das ungewohnt heiße Klima und die Malaria sorgten dafür, dass es zwei Jahrzehnte lang mehr Sterbefälle als Geburten gab.

Erst in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts ging es langsam aufwärts. Ihren kulturellen Höhepunkt erlebte die schwäbische Kolonie 1919, als sie mit Gästen aus Deutschland den hundertsten Jahrestag ihrer Gründung begingen.

Die aus Reutlingen stammenden Familien Hummel, Vohrer und Votteler hatten es als Gutsbesitzer und Weingroßhändler zu großem Ansehen gebracht. Sie machten Helenendorf bis ins Zentrum Russlands hinein bekannt.

Im Oktober 1941 wurden die schwäbischen Helenendorfer nach Kasachstan deportiert.

Mit dem Ersten Weltkrieg beginnt die Zeit der Repression gegen die schwäbischen Kolonisten. 1920 werden die großen Betriebe enteignet und schließlich auch die Landwirtschaft kollektiviert. 1928 wird aus Helenendorf die Ortschaft Chanlar.

Am 18. und 19. Oktober 1941 werden nach den Siedlern an der Wolga, in der Ukraine und auf der Krim auch die Deutschen im Kaukasus nur mit einem Stück Handgepäck nach Sibirien und Zentralasien deportiert.

 

zum Artikel
Ulrich Mohl
Schwäbischer Pioniergeist im Kaukasus -
Die russlanddeutsche Kolonie Helenendorf

 
Mehr zum Thema bei ORNIS
- „Steht der Kölner Dom noch?“ - Zu Besuch bei dem letzten Deutschen in Helenendorf

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zum Autor

Ulrich Mohl hat Geschichte, Philosophie, Geographie und Französisch in Tübingen studiert und war an verschiedenen Gymnasien tätig. Daneben erlernte er die russische Sprache und bereiste die Sowjetunion. Er lebt in Pfullingen und verlegt seit 1997 Bücher.

siehe auch:
Ulrich Mohl, Vergessene Schicksale schwäbischer Auswanderer in Rußland, in: Reutlinger Geschichtsblätter, NF 36, 1997, S. 265-335

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