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Integration mit Theater schaffen

Russischer Regisseur arbeitet mit Kindern von Spätaussiedlern
Integration mit Theater schaffen leitete einst das Theater am St. Petersburger Konservatorium: Yuri Tykotsky
Foto: Kunstschule Offenburg

Offenburg (ORNIS) - Ein außergewöhnliches Projekt betreut der Theaterregisseur Yury Tykotsky an der Kunstschule im süddeutschen Offenburg. Er will mit Kindern und Jugendlichen von Spätaussiedlern Theater machen und ihnen auf diese Weise bei der Integration helfen. Über das Vorhaben, das gemeinsam mit dem Projekt "Ost-West-Integration" der Volkshochschule Offenburg durchgeführt wird, berichtete die „Mittelbadische Presse“ am 12. April.

Von Simone Denzler

Yury Tykotsky könnte stundenlang erzählen, wenn es um seine Arbeit im Theater geht. Er ist studierter Theaterregisseur und leitete das Theater am St. Petersburger Konservatorium, wo er auch unterrichtete. Über 40 Stücke inszenierte er als Regisseur. Russische Klassiker, aber auch deutsche Stücke waren dabei. Darüber hinaus drehte Tykotsky für das russische Fernsehen Dokumentarfilme über berühmte Persönlichkeiten. 30 Jahre Erfahrung hat er in „seinen verschiedenen Berufen“, wie er betont. Jetzt hatte er die Idee, für die Offenburger Kunstschule eine Theatergruppe aus Kindern und Jugendlichen von Spätaussiedlern zusammenzustellen.

Zunächst ist das Projekt nur für ein halbes Jahr finanziell gesichert. „Spätaussiedlerkinder haben ein großes Problem, sich zu integrieren, sie denken und handeln russisch“, sagt Tykotsky zur Begründung seines  Vorhabens. Er will die Kinder weg von der Straße holen, ihnen zeigen, dass es mehr gibt als Alkohol und Drogen, sie begeistern für die Welt von Literatur, Musik und Theater. Und über das Projekt will er sie mit deutschen Kinder zusammenbringen – ein Versuch der Ost-West-Integration.

Beginnen soll das Theaterprojekt zunächst auf Russisch. Die jungen Schauspieler sollen sich in verschiedenen Rollen und Emotionen ausprobieren. In Arbeitsgruppen können sich Schüler und Lehrer erst einmal kennen lernen. Erst im Laufe der Arbeit wird sich zeigen, welches Stück gespielt wird. Vielleicht sogar ein eigenes? Ziel ist es, nach den sechs Monaten eine stabile Struktur geschaffen zu haben, auf der aufgebaut werden kann.

Vor sechs Jahren ist Yury Tykotsky mit seiner Familie nach Deutschland gekommen. Russland zu verlassen sei „eine Bauchentscheidung“ gewesen, erzählt er. Deutsche Kultur habe ihn immer schon fasziniert. Sein Lieblingsmuseum sei die Alte Pinakothek in München, die seiner Meinung nach eine der besten Rubens-Sammlungen besitzt. Doch ausschlaggebend waren wohl die schwierigen Verhältnisse in Russland 1999. Seine beiden Söhne sollten eine gute Ausbildung bekommen und später eine interessante Arbeit haben. In Deutschland sah er für sie einfach bessere Chancen. Für ihn selbst war der Schritt nach Deutschland beruflich gesehen ein Rückschritt. Trotz seiner langjährigen Erfahrung konnte der Theaterregisseur keine Stelle finden. „Wenn ich perfekt Deutsch könnte, wäre es kein Problem“, meint Tykotsky. Mit seinen 56 Jahren falle es ihm jedoch schwer, eine neue Sprache zu lernen.

Zu seinem Projekt in der Kunstschule, für das er fast ohne Bezahlung arbeitet, sagt Yury Tykotsky: „Ich kann nicht zu Hause sitzen und nichts tun, ich habe immer gearbeitet“. Und jetzt kann er sogar wieder in seinem angestammten Beruf arbeiten - Theaterregisseur und Lehrer. „Herr Tykotsky hat die Herausforderung, in einem neuen Land erst einmal wieder ganz von vorn anzufangen, angenommen. Er hat eine unheimliche Kraft“, sagt Kunstschulleiter Heinrich Bröckelmann. Und sein Deutsch sei in den vergangenen Jahren sehr viel besser geworden. Jetzt hoffen beide, Bröckelmann und Tykotsky, dass das Projekt ein Erfolg wird.

Quelle: Mittelbadische Presse, 12. April 2005

(ORNIS, 12. April 2005)


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