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Festival am Newa-Strand

Russische Künstler aus Deutschland in St. Petersburg
Festival am Newa-Strand REmigration 2005 in St. Petersburg
Foto: Alexei Prokofiev

St. Petersburg (ORNIS) - Drei Tage lang stand das historische Zentrum von St. Petersburg im Zeichen junger russischer Künstler – aus Deutschland. „REmigration 2005“ hieß das Festival am Newa-Strand der Peter-Paul-Festung, das vom 10. bis 12. Juni Ausstellungen, Lesungen, Video-Aufführungen und Musik bot. Den Petersburgern präsentierte sich ein Ausschnitt aus der russischen Kulturszene in Deutschland. Anlass war der 60. Jahrestag des Kriegsendes. Ein Werkstattgespräch zum Thema ‚Erinnerung’ schlug eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart.

Den größten Teil ihres zwanzigjährigen Lebens hat Natalie Osovski in Berlin verbracht. Sie ging erst wenige Jahre zur Schule, als ihre Eltern sich entschlossen, aus Kasachstan nach Deutschland auszusiedeln. Jetzt möchte sie den Menschen in St. Petersburg zeigen, wie russische Kultur auch den deutschen Alltag prägt und welche Rolle ihre neue Heimatstadt Berlin dabei einnimmt. In einer Serie von Schwarz-Weiß-Fotos zeichnet sie russische Spuren in Berlin nach, etwa mit dem Bild einer windschiefen Tür, auf der noch die verblichene russische Aufschrift „Heizkeller“ zu lesen ist. Weitere Motive: zurückgelassene Utensilien der sowjetischen Armee, eine Gasmaske, ein von Gras überwuchertes Plakat, das ‚Café Moskau’, öffentliche Anschläge, die auf russischsprachige Veranstaltungen hinweisen.

Natalie Osovski ist eine von über 40 Künstlerinnen und Künstlern, die sich um die Teilnahme an der Präsentation in St. Petersburg beworben haben. 16 Projekte wurden schließlich ausgewählt. Ihr Projekt war dabei – nicht zuletzt auch, weil Natalies Ausstellung eng mit dem Thema Erinnerung verknüpft ist. Ausgeschrieben hatte das Projekt die Organisation ‚Deutsch-Russischer Austausch’ (DRA), die gemeinsam mit dem deutschen Generalkonsulat in St. Petersburg Veranstalter von ‚REmigration 2005’ war. Ein erstes Treffen dieser Art hatte im vergangenen Jahr während der Deutsch-Russischen Kulturtage bereits großen Erfolg, so dass man sich entschloss, in diesem Jahr ein größeres Format zu wagen.

Die in Deutschland lebenden Musiker, Schriftsteller, Film- und Theatermacher russischer Herkunft schienen von der Idee fasziniert, frühere Landsleute mit ihrem Schaffen vertraut zu machen. Mit 400 Euro pro Kopf für Reise und Visum mussten sich die Teilnehmer begnügen, gewohnt wurde bei privaten Gastgebern, ein Honorar gab es nicht. „REmigration ist ein Low-Budget-Projekt“, erläutert Hanno Gundert, DRA-Büroleiter in St. Petersburg, und hat für seine Organisation unter Beweis gestellt, dass finanzieller Aufwand kein Gradmesser für Anspruch und Anklang sein muss.

Und die russischen Künstler? Beim deutsch-russischen Poetry-Slam wetteiferten junge Schriftsteller aus beiden Ländern um die Gunst des Publikums, während auf der Bühne am Strand vor der Festung Bands aus Hamburg, aus Moskau und St. Petersburg auftraten. Hier konnten die Besucher auch feststellen, wozu ‚Architektur ohne Grenzen’ in der Lage ist. Denis Schikalow und Studenten der Kunsthochschule Berlin-Weißensee errichteten drei zweckentfremdete Kioske, eine halbe Bushaltestelle und mehrere Kubikmeter zu Kunst veredeltes Abfallmaterial zu neuen Gebilden.

‚Grüß den Kanzler schön von mir’ war der Titel eines Auftritts der Grafikerin Anja Tschepes und der Übersetzerin Frederike Meltendorf. In Bild und auf eigenwillige Weise vertont, trugen sie Texte aus den Briefen einer Petersburgerin an ihre Tochter in Berlin vor, die zwischen 1991 und 2004 geschrieben worden waren. Aufgeführt wurde das Werk in deutscher Sprache. Die Petersburger Nachbarn der Briefschreiberin wären wohl auch nicht entzückt gewesen, hätten sie sich in den Ausführungen  der Autorin wieder erkannt. do (© ORNIS, 14. Juni 2005)


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