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Hindernislauf für Rückkehrer

Das russische Hilfsprogramm krankt an der Bürokratie

Seit 2006 bietet Russland rückkehrwilligen Landsleuten Hilfen an. Ein staatliches Programm garantiert einen russischen Pass, materielle Hilfe, Arbeit und Wohnraum. Jetzt wurde Bilanz gezogen. Auf einem internationalen Forum in Kaliningrad zum Thema „Integration der Landsleute 2009“ stießen Programm und Wirklichkeit aufeinander.

Kaliningrad, im Dezember 2009 – Der Tagungsort war nicht zufällig gewählt. 50 Prozent aller Rückkehrer, rund 6.200 Personen, ließen sich seit September 2007 im Kaliningrader Gebiet nieder. Die Region beteiligte sich als eine der ersten am neuen Kurs der Regierung und bot ehemaligen Landsleuten in der Fremde Rückkehrhilfen an. Bis zum Ausbruch der Finanzkrise war hier das Bruttoinlandsprodukt kontinuierlich gestiegen. Und nicht zuletzt spielten auch das angenehme Seeklima und die relative Nähe zum wohlhabenden Europa eine Rolle bei der Wahl der Rückkehrwilligen.

Wie der Minister für Territorialentwicklung des Gebiets Kaliningrad, Michail Pljuchin, mitteilte, sind hier in den vergangenen Jahren mehrere größere Investitionsprojekte angelaufen. Dazu gehörten der Bau eines Atomkraftwerks und einer neuen Küstenautobahn sowie der Ausbau des Flughafens Chrabrowo zu einem internationalen Luftfahrtkreuz. Kurz: die Region hatte einen großen Bedarf an Arbeitskräften, insbesondere in der Baubranche.

Allerdings kollidierte das baltische „Herzlich willkommen!“ sehr schnell mit der russischen Bürokratie. Bekanntlich wird Rückkehrwilligen, die an dem staatlichen Programm teilnehmen, ein Arbeitsplatz zugesichert. Und obwohl potenziellen Rückkehrern von künftigen Arbeitgebern in vielen Fällen schriftlich garantiert wurde, ein halbes Jahr lang einen Arbeitsplatz freizuhalten, dauerte das Ausstellen der erforderlichen Papiere häufig so lange, dass sich viele dann doch selbst einen neue Arbeit suchen mussten.

„Als wir vor zwei Jahren endlich die Zuzugsgenehmigung bekamen“, erzählt die aus Lissakowsk in Kasachstan stammende Ljudmila Swiridowa, „war der versprochene Arbeitsplatz meines Mannes bei ‚Jantarenergo‘ bereits besetzt. Er konnte nicht sofort eine andere Arbeit finden, so dass wir die erste Zeit von dem Umzugsgeld und dem Erlös aus dem Hausverkauf in Kasachstan leben mussten. Erst vor wenigen Monaten hat mein Mann eine Stelle im hiesigen Kraftwerk gefunden. Immerhin haben wir sofort Unterkunft im Aufnahmezentrum gefunden.“

Auf Wohnungssuche

Wohnraum ist ein weiteres Problem. Zurzeit gibt es in der Siedlung Sewernyj ein zentrales Aufnahmezentrum mit 346 Plätzen. Ein zweites Zentrum mit 700 Unterkünften entsteht gerade in einer ehemaligen Kaserne der Grenztruppen in Osersk. Es liegt 120 Kilometer von Kaliningrad entfernt und soll im nächsten Jahr eröffnet werden.

Aufnahmelager für Rückkehrer in Osersk

Allerdings dürfen Rückkehrer höchstens ein halbes Jahr in einem solchen Zentrum bleiben, wobei die Bedingungen ohnehin nicht besonders günstig sind: Pro Person sind hier sechs Quadratmeter vorgesehen. Letztlich muss sich jedoch jeder Rückkehrer selbst um eine Wohnung kümmern. Zuständig ist hier das staatliche Migrationszentrum, das eigens für die Verwirklichung des staatlichen Programms eingerichtet wurde.

„Normalerweise finden wir heruntergekommene Häuser oder Wohnungen, deren Eigentümer nicht ausfindig gemacht werden können“, erklärt Andrej Semtschenkow, Direktor des Migrationszentrums. „In jedem Fall machen wir die zuständigen Stellen und Behörden darauf aufmerksam, dass solche Wohnungen genutzt werden müssen. Die kommunalen Behörden übergeben sie dann den Rückkehrern, die sie auf eigene Kosten herrichten müssen. Allerdings geht das nur, wenn Einheimische, die auf der Warteliste für Wohnraum stehen, kein Interesse an einer solchen Wohnung zeigen. […]“

Besitzt der Rückkehrer einen russischen Pass und ist als Übersiedler registriert, dann kann er theoretisch auch einen Verbraucherkredit beantragen. Manchmal bekommt er zusammen mit einer neuen Arbeit auch eine Dienstwohnung zugewiesen. Doch das ist eher die Ausnahme.

Die russische Regierung hat das „Staatliche Programm zur Unterstützung im Ausland lebender rückkehrwilliger Landsleute“ gestartet, um der sinkenden Bevölkerungszahl entgegenzuwirken. Sie setzt dabei vor allem auf die russischsprachige Bevölkerung in den ehemaligen Sowjetrepubliken. Inzwischen werden von dem Programm aber auch Menschen aus anderen Ländern angesprochen. So stammen die Rückkehrer, die ins Kaliningrader Gebiet gekommen sind, auch aus den USA, Israel, Portugal und aus Deutschland.

Ehemalige Sowjetdeutsche, denen es nicht gelungen ist, in westeuropäischen Gefilden heimisch zu werden, begannen bereits kurz nach der Jahrtausendwende, in die frühere Heimat zurückzukehren. Nach Angaben des russischen Migrationsdienstes bevorzugen sie vor allem die Gebiete Saratow und Omsk. Andere interessieren sich aber auch für die einst deutschen und jetzt russischen Regionen. Im Zuge des staatlichen Rückkehrerprogramms sind inzwischen 43 Personen aus Deutschland nach Kaliningrad gekommen.

Einfach ist es auch für die russlanddeutschen Rückkehrer nicht. Manche finden lange Zeit keine Arbeit, andere wiederum eröffnen mit deutscher Betriebsamkeit schnell ein eigenes Geschäft. Andreas Gottfried zum Beispiel, der 2008 in das Dorf Podlipowo gezogen ist, bei Null angefangen hat und inzwischen eine gut gehende Landwirtschaft führt. Sein Name ist sogar in der Gebietsverwaltung ein Begriff. [...]

Quelle: Сергей Косяков: “И дым отечества им сладок и приятен“,
Sergej Kosjakov: „I dym otecestva im sladok i prijaten“,
rusdeutsch.ru vom 25. Oktober 2009;
Übersetzung: Norbert Krallemann


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Viktor Scheimeier
Rückkehrer aus Deutschland


"Von dem Programm für ehemalige Landsleute, die nach Russland zurückkehren wollen, habe ich aus dem deutschen Fernsehen erfahren, als ich noch in Osnabrück lebte.

Die Arbeitsuche ist in Kaliningrad ein Thema für sich. Ich bin Ingenieur und hatte vor meiner Ausreise nach Deutschland im deutschen Rayon Asowo, Gebiet Omsk, gearbeitet. Hier nützte mir diese Qualifikation nichts, weil es hier um die Landwirtschaft schlecht bestellt ist.

In Deutschland hatte ich mich zum Schleifer und Dreher umschulen lassen. Mit dieser Ausbildung habe ich dann hier als Metallbauer im Werk „Litaka“ eine Stelle bekommen. Wegen der Krise wurde der Lohn aber nur noch verspätet und nicht in voller Höhe gezahlt.

Also habe ich dort aufgehört und verdiene jetzt mein Geld mit Gelegenheitsarbeiten."