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Ziel: Selbstorganisation der deutschen Minderheit

Forum der Begegnungszentren tagt in Moskau
Ziel: Selbstorganisation der deutschen Minderheit Edwin Grieb (links) und Heinrich Martens (IVdK) begrüßen die Teilnehmer
Foto: ORNIS

Die Selbstorganisation der Russlanddeutschen war Hauptthema des diesjährigen Forums der Begegnungszentren*. Rund 150 Teilnehmer aus Russland und anderen Staaten mit russlanddeutscher Bevölkerung waren der Einladung des Internationalen Verbandes der deutschen Kultur (IVdK) gefolgt. Das dreitägige Treffen im Deutsch-Russischen Haus in Moskau fand zum sechsten Mal statt.

Moskau, im November 2007 – Eine Vielzahl von Arbeitsgruppen widmete sich den Fragen der Selbstorganisation im Vielvölkerstaat Russland, und Verweise auf frühe Erfahrungen im Leben der deutschen Minderheit waren durchaus am Platze. Immerhin sind die ersten gesellschaftlichen Organisationen der Russlanddeutschen bereits in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts im Gouvernement Noworossijsk entstanden – Anknüpfungspunkte allerdings, die für die heutigen politischen und sozialen Bedingungen Russlands von eher beiläufiger Bedeutung sind. Vielmehr waren die Erfahrungen des zurückliegenden Jahrhunderts prägend: das Verbot, auf die eigene Kraft zu bauen, die Aufhebung von Eigenständigkeit und Selbstverlass.

Aus vielen Blickwinkeln näherten sich die Teilnehmer des Forums dem Thema. Und immer wieder wurde deutlich, welche Bedeutung der deutschen Sprache beigemessen wurde, sei es im Vorschulunterricht, sei es durch eine größere Auswahl an Lehrmaterialien in den Begegnungszentren, sei es als Forderung an die russlanddeutschen Medien, der deutschen Sprache mehr Raum zu geben. Ohne Gegenstimme blieb sogar die überraschende Forderung, bei Zusammenkünften vornehmlich deutsch zu sprechen.

Der Aussiedlerbeauftragte Christoph Bergner spricht zu den Forums-Teilnehmern

Im Zentrum einer künftigen Selbstorganisation der deutschen Minderheit stehen die Begegnungszentren in Dörfern und Städten, die seit jüngstem auch eigene Vertretungen auf regionaler Ebene (Räte) haben und langfristig die Geschicke der Zentren selbstbestimmt regeln sollen. Der Aussiedlerbeauftragte Christoph Bergner, der dem Forum beiwohnte, unterstrich denn auch die zentrale Bedeutung der Begegnungszentren für die deutsche Bevölkerungsgruppe, die - abgesehen von wenigen Siedlungsgebieten – in verstreuten Gemeinden lebt. In der Diaspora, so der Politiker, komme den Zentren eine besondere Rolle zu, wenn es um die Bewahrung von kultureller Identität gehe. Bergner: „Das Netzwerk der Begegnungsstätten ist ein Stück Heimat für die Russlanddeutschen geworden.“

Realitäten anerkennen

Der Historiker Arkadij German aus Saratow warnte davor, russlanddeutsche Identität aus der Rückbesinnung auf die ehemalige autonome Wolga-Republik zu beanspruchen, die mit der Deportation der Deutschen aus der Wolgaregion und anderen Gebieten im Jahr 1941 beendet war. Nostalgische Verherrlichung jener Phase der vermeintlichen Eigenständigkeit lasse außer Acht, dass die damalige Republik „alle Nachteile und politischen Zwänge der Sowjetunion in sich barg“. Daher könne es keine Option auf eine Wiedererlangung territorialer Eigenständigkeit der deutschen Minderheit Russlands geben.

Die Begegnungszentren können ein Zusammenleben auf gemeinsamem Territorium zwar nicht ersetzen, meinte Gastgeber Heinrich Martens, doch seien sie die beste Alternative. Der Leiter des Internationalen Verbandes der deutschen Kultur -  zentrale Koordinationsstelle aller Aktivitäten der Begegnungsstätten und Interessenvertreter gegenüber Regierung und Behörden in Moskau – hob hervor, künftig sei es Sache der Regionalräte und der einzelnen Begegnungsstätten, ihre Arbeitsweise selbst zu bestimmen, finanziell Selbstverantwortung zu tragen, eigene Ziele und Pläne zu erarbeiten.

Derartige demokratische Strukturen im Gefüge der Begegnungszentren sind neu, so neu, dass nicht wenige Zweifel hegten. Besonders Vertreter der Deutschen aus Sibirien, die seit einem Jahr eine eigene Organisation haben, dämpften zu hohe Erwartungen. Überkommene Vorbehalte gegenüber Moskau und den Verbandszentralen, die in der Hauptstadt das Sagen haben.

Dennoch: Mit der Schaffung der Regionalräte ist ein Schritt in Richtung Selbstorganisation auch auf lokaler Ebene gemacht, und die Koordinationszentrale in Moskau wird beim Wort genommen werden, wenn es dort heißt, den Bedürfnissen kleinerer Begegnungszentren in den Dörfern werde in gleicher Weise Rechnung getragen wie den Ansprüchen größerer Häuser. (us)

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*Begegnungszentren
Die Begegnungszentren werden als Schlüsselelemente zur Selbstorganisation der Russlanddeutschen betrachtet. Sie können selbständige Organisationen sein oder im Rahmen anderer gesellschaftlicher Organisationen  - etwa der Gesellschaften ‚Wiedergeburt’, der Nationalkulturellen Autonomien, der Deutsch-Russischen Häuser – tätig sein. Derzeit gibt es in Russland und anderen Ländern der GUS rund 600 Begegnungszentren, die Mehrheit davon in Russland. Ziel ihrer Aktivitäten ist, die kulturelle Identität der Russlanddeutschen zu bewahren und zu fördern. Hier gibt es deutsche Sprachkurse, Sonntagsschulen, Zirkel für künstlerische Betätigung, Fortbildungsseminare sowie Bibliotheken und Freizeitklubs.


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6. Forum der russlanddeutschen Begegnungszentren 2007


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