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6. bis 12. Juli
Kooperation ist verpönt

Hünfeld – In keinem anderen hessischen Gefängnis ist der Anteil an Russlanddeutschen unter den Häftlingen so hoch wie in Hünfeld, schreibt die »Fuldaer Zeitung« am 9. Juli. Die Gruppe gelte im Haftalltag als schwer integrierbar, was zum einen am starken Gruppendruck, zum anderen an fehlenden Deutschkenntnissen liege. Die derzeit 50 bis 60 Gefangenen würden sich zum Teil stark abschotten; unter ihnen sei jegliche Kooperation mit der Anstalt verpönt.

Nun habe die hessische Landesbeauftragte für Heimatvertriebene und Spätaussiedler, die Landtagsabgeordnete Margarete Ziegler-Raschdorf (CDU) für die russlanddeutschen Gefangenen ein eigenes Integrationskonzept vorgestellt. Es sei mit der Fuldaer Kreisgruppe der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland erarbeitet worden und sehe vor, dass zwei Pädagoginnen eingestellt werden sollen, die den Häftlingen sowohl Deutschunterricht als auch Berufsorientierung und Bewerbungstraining anbieten werden. Eine der beiden Lehrkräfte soll selbst Spätaussiedlerin mit russischen Sprachkenntnissen sein, berichtet die Zeitung weiter. Nach Angaben von Ziegler-Raschdorf geht es unter anderem darum, unter den Häftlingen eigenverantwortliches Handeln zu fördern.


“Hier werden Migranten gefördert”

Dormund – Im Auffanglager Anklam lernten sie sich 2003 kennen, die beiden Spätaussiedler Elena und Konstantin. Sie verliebten sich ineinander, verloren darüber aber nicht ihr ursprüngliches Ziel aus den Augen: das Abitur, berichtet die »Westfälische Rundschau« am 9. Juli. Das Dortmunder Westfalen-Kolleg versprach all das, was sich die Beiden ausgemalt hatten, heißt es weiter, sogar Russisch als Leistungskurs. Hier würden Migranten unter anderem mit Deutsch- und Englischkursen gefördert, und die Lehrerschaft habe große Erfahrung im Umgang mit Zuwanderern. Kurzerhand zogen Konstantin und Elena nach Dortmund und bestanden ihr Abitur mit ausgezeichneten Noten, so die Zeitung. Die heute 24-jährige Aussiedlerin studiert nun Medizin in Köln, während der 26 Jahre alte Konstantin noch auf einen Platz an der Universität wartet.


Nach drei Jahren abgewandert in den Westen

Dresden – Zwischen 1991 und Ende 2008 kamen rund 115.000 Spätaussiedler nach Sachsen, berichtet »Ad-hoc-news« am 10. Juli. Nach Angaben des sächsischen Sozialministeriums werde jedoch angenommen, dass höchstens die Hälfte von ihnen auch heute noch in dem Bundesland lebt. Die meisten hätten nach Ablauf der Drei-Jahresfrist, in der von Sozialhilfe abhängige Spätaussiedler an einem zugewiesenen Wohnort bleiben müssen, mangels Arbeitsplätzen Sachsen verlassen, fast immer in Richtung westliche Bundesländer.


Um Verständnis werben

Dillingen – Bewegende Einblicke in die Lebenswelt und das oft schwierige Schicksal der Russlanddeutschen im 20. Jahrhundert vermitteln nach Ansicht des Dillinger Landrats Leo Schrell die Wanderausstellung ‚Volk auf dem Weg – Geschichte und Gegenwart der Deutschen aus Russland‘, schreibt die »Augsburger Allgemeine« am 8. Juli zur Eröffnung der Ausstellung im großen Sitzungssaal des Landratsamtes. Mit der Ausstellung wolle die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland die Kultur der Russlanddeutschen und ihre Identität dokumentieren und so für mehr Verständnis für Spätaussiedler werben.


Integration mit Gorodki

Dinklage – Auf dem Hof der Kardinal-von-Galen-Schule in Dinklage entsteht in einigen Wochen eine neue Sportanlage für die hierzulande noch nicht sehr bekannte Sportart Gorodki. Die in Russland sehr populäre Sportart soll einen Beitrag zur Integration von Zuwanderern leisten, heißt es in der »Oldenburgischen Volkszeitung« am 10. Juli. Die Anlage werde von Einheimischen und Deutschen ausländischer Herkunft ehrenamtlich aufgebaut, sagte Samuel Kraft, Aussiedlerbeauftragter der Stadt und Initiator dieser Aktion. Gefördert werde das Projekt vom Landessportbund Niedersachsen.


„Russlanddeutsche Strukturen“ in der Bundeswehr

Düsseldorf – Junge Männer aus dem Osten Deutschlands verpflichten sich häufiger als Zeitsoldaten und sind proportional stärker an Auslandseinsätzen der Bundeswehr beteiligt, berichtet die »Rheinische Post« am 10. Juli. Da die Bundeswehr in Afghanistan ausschließlich Zeit- und Berufssoldaten einsetzen dürfe, würden damit junge Soldaten aus Ostdeutschland überproportional häufig Opfer der Taliban-Anschläge. „Diese Entwicklung hängt mit dem Mangel an Arbeitsplätzen im Osten zusammen“, zitiert das Blatt Oberstleutnant Thomas Sohst, den Vorsitzenden des Landesverbandes West im Bundeswehrverband. Offiziell führten die Streitkräfte allerdings keine Statistik über die Herkunft der Wehrpflichtigen.

Die Bundeswehr sei bewusst „blind“ und verstehe sich als Schmelztiegel, wenn es um Migrationshintergründe gehe. In welchen Regionen der Welt die Soldaten geboren wurden, werde nicht erfasst. Nach Aussagen eines Offiziers bildeten sich in manchen Infanterieverbänden aber ungewollt Schichten: „Unsere Mannschaften sind häufig Russlanddeutsche, die Unteroffiziere haben libanesische oder türkische Wurzeln, die Offiziere sind meist deutscher Herkunft.“ Probleme gebe es speziell mit jungen Männern russischer Herkunft, so Thomas Sohst. „Sie sind schwierig zu integrieren, weil sie ihre Kultur ausleben.“ Nach Möglichkeit würden die Russlanddeutschen auf verschiedene Kompanien verteilt, um Gruppenbildungen und „eigene Strukturen“ zu vermeiden.


Ausgezeichnetes Integrationsprojekt in Eberswalde

Eberswalde – Vitali war als Berufskraftfahrer in Kasachstan in Sachen Alkohol abstinent. Er fuhr LKW und Bus - da kann man sich die Trinkerei nicht leisten. Doch als der Russlanddeutsche vor wenigen Jahren mit seiner Familie nach Deutschland kam, begann er zu trinken. Er bekam in Eberswalde, wo die Familie lebt, keinen Job. Die Umgebung war fremd, und Kraftfahrer konnte er hier nicht werden, da seine Qualifikation aus Kasachstan nicht anerkannt wurde, schreibt der »Nordkurier« am 11. Juli. Seine Geschichte und die vieler anderer Spätaussiedler war es, die Irina Holzmann, selbst Russlanddeutsche und Leiterin der Eberswalder Migrationsberatungsstelle des Bundes der Vertriebenen, auf eine Idee brachten, heißt es weiter.

Gemeinsam mit einer Eberswalder Verkehrsschule und der Arbeitsagentur schuf sie ein Modellprojekt, das eingewanderte Berufskraftfahrer zum EU-Führerschein verhalf. Seit 2002 hätten etwa 80 Migranten die Ausbildung absolviert. Alle bestanden die Prüfung und fast alle haben auch einen Job als Kraftfahrer gefunden, berichtet die Zeitung. Vitali trinke heute keinen Tropfen Alkohol mehr. Dieser Tage sei das Projekt mit dem Integrationspreis des Landes Brandenburg ausgezeichnet worden.


Anfällig für rechtsextremistisches Gedankengut

Löbau – Das Integrationsnetzwerk Sachsen sieht eine besondere Anfälligkeit von jungen Russlanddeutschen für rechtsextremistisches Gedankengut, heißt es bei »Ad-hoc-news« am 11. Juli. Nach Angaben von Valerias Steinhauer, Präsidiumsmitglied des Netzwerks, spricht die NPD gezielt jugendliche Spätaussiedler an, von denen „viele eine fremdenfeindliche Einstellung auch schon aus Russland mit(bringen)“. Da müssten Gegenstrategien entwickelt werden. Das Integrationsnetzwerk vertritt 16 Spätaussiedlervereine in verschiedenen Städten Sachsens.


Dresdner Anschlag hat „Abgründe offenbart“

Berlin – Der Mord an der 32-jährigen Ägypterin Marwa al-Sherbin in einem Dresdner Gerichtssaal durch einen 28 Jahre alten russlanddeutschen Spätaussiedler am 1. Juli hat in der Bundesrepublik und vor allem in Ländern mit moslemischer Bevölkerung für anhaltendes Presse-Echo gesorgt. Im Ausland wurde insbesondere gerügt, dass sich deutsche Politiker erst Tage nach der Tat zum Fall geäußert haben.

Von der Trauerfeier in Dresden am 11. Juli für die mit 18 Messerstichen getötete Ägypterin zitiert »Die Tageszeitung« einen Tag später Valerias Steinhauer vom sächsischen Integrationsnetzwerk für Spätaussiedler mit den Worten, es sei für alle unbegreiflich, „wie ein Russlanddeutscher zum Rechtsextremisten werden konnte“. Die Älteren von ihnen seien schließlich in Russland verfolgt und vertrieben worden. Auch in Deutschland seien sie Diskriminierung ausgesetzt.

In einem Kommentar der »Welt« vom 8. Juli geht der Autor auch auf die Motive des Täters ein und schreibt, noch während der Gerichtsverhandlung, in der die Ägypterin als Zeugin auftrat, habe der Russlanddeutsche die Abgründe offenbart, „die sich in seinem Innern auftun, indem er sagte, ‚solche Leute‘ seien nicht beleidigungsfähig, da sie ‚keine richtigen Menschen‘ seien“. Am 9. Juli schreibt dazu »Die Zeit«, unmittelbar vor den tödlichen Messerstichen habe sich der Täter im Gerichtssaal an die Ägypterin mit den Worten gewandt: „Sie haben hier nichts zu suchen.“ Schließlich habe er gedroht: „Wenn die NPD an die Macht kommt, ist damit Schluss. Ich habe NPD gewählt.“

Der Russlanddeutsche hat sich in Deutschland offenbar als Verlierer gefühlt, schreibt Die Zeit weiter. Nach Hauptschulabschluss und einer Lehre in Lagerwirtschaft sei er 2003 aus Perm in die Bundesrepublik gekommen und habe rasch Deutsch gelernt, allerdings keine Arbeit gefunden. Zur Tatzeit soll er von Sozialhilfe gelebt haben. Die Staatsanwaltschaft Dresden hoffe auf Informationen der russischen Behörden zum Lebenslauf des Täters. Es soll geklärt werden, ob er schon in Russland „auf Ausländerhass und vor allem Islamophobie programmiert war“, so das Wochenblatt.

In der »Zeit« vom 8. Juli heißt es auch, durch den Dresdner Mord sei die Öffentlichkeit nun mit einem Problem konfrontiert, das bislang kaum wahrgenommen worden sei: Ein Teil der Russlanddeutschen erscheine anfällig für Rassismus und Rechtsextremismus. Andererseits würden Russlanddeutsche selbst Opfer brauner Gewalt.
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