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24. bis 30. Juli

Pilotprojekt aus Münster wird bundesweit übernommen

Münster – Zehn Wochen bzw. hundert Stunden dauerte der Kurs für die 18 Spätaussiedler im Alter zwischen 18 und 27 Jahren. Unter ihnen waren Russlanddeutsche, die gerade erst nach Deutschland gekommen sind, und solche, die schon länger hier leben. Doch für beide Gruppen galt: „Allen fehlte die Orientierung über Lebenswelt und Kultur, Ausbildungsgänge und Arbeitswelt der deutschen Gesellschaft“, heißt es im «Presse-Service der Stadt Münster» vom 24. Juli. Nach dem Kurs war alles anders. Teils begannen sie sofort eine Lehre, teils absolvierten sie für den hiesigen Arbeitsmarkt eine angemessene Weiterbildung. Sie wissen jetzt, so die Mitteilung, was sie in ihrer neuen Heimat wollen und was sie können. Der entscheidende Unterschied zu ähnlichen Kursen anderswo: In Münster wurde der Pilotkurs von einem einheimischen und einem russlanddeutschen Dozenten geleitet, die gemeinsam als „Tandem“ unterrichteten. Nach diesem Muster sollen nun bundesweit Integrationskurse angeboten werden. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stellt dafür jährlich zwei Millionen Euro zur Verfügung.


Integrationserfolge sind messbar

Münster – Im westfälischen Münster wird viel unternommen für die Integration von Spätaussiedlern. Um den Russlanddeutschen möglichst schnell das Leben in Deutschland verständlich zu machen, werden hier „Lotsen“ eingesetzt. Das sind meist ehrenamtliche Bürger, die sich individuell um einen Aussiedler kümmern, mit dem sie sich zuvor verbindlich über die ersten Integrationsschritte geeinigt haben. In Münster helfen die Lotsen vor allem bei der Suche nach einer Bleibe in einem gewachsenen Wohnviertel, wo die Spätaussiedler an ein Geflecht von Nachbarschaften, Vereinen, Kirchengemeinden und Sportangeboten „andocken“ können, heißt es am 26. Juli im «Presse-Service» der Stadt. 93 Prozent der Zuwanderer, die einen Lotsen hatten, konnten tatsächlich eine Wohnung in solchen Vierteln finden. Im Vergleich zu Aussiedlern, die eher in Ghettos Wohnraum gefunden haben, ist der Integrationserfolg „des Dreiklangs Lotsenarbeit – Netzwerk – Wohnen“ schon im zweiten Jahr nach der Ankunft messbar, berichtet Professor Dietrich Thränhardt, der mit Kollegen in den Niederlanden eine Untersuchung zum Thema „Vergleichende Evaluation lokaler Programme in Münster und Enschede“ vorgelegt hat. Die Studie belege, dass Münster mit dem neuen Integrationsansatz ohne finanziellen Mehraufwand deutlich höhere Erfolge erzielen konnte als mit konventionellen Eingliederungsversuchen.


„In Russland hätte ich auch eine Chance gehabt“

Alzey – Vor drei Jahren kam die 19-jährige Oxana Polischukov mit ihrer Familie aus dem Nordkaukasus nach Alzey. Damals „konnte ich eigentlich gar nichts“, erzählt sie der «Allgemeinen Zeitung» am 25. Juli. Inzwischen besucht sie das Aufbaugymnasium in der rheinhessischen Stadt und träumt davon, Biologielaborantin zu werden. Die einzige Lösung für ein gutes Leben sei der Umzug nach Deutschland aber auch wieder nicht gewesen: „In Russland hätte ich auch eine Chance gehabt.“ Ähnliche Erfahrungen berichten auch andere russlanddeutsche Mitschülerinnen. Obwohl sich alle recht gut eingelebt haben in Alzey, bewege sich das Leben der jungen Spätaussiedlerinnen hauptsächlich unter ihresgleichen. „Die haben die gleichen Probleme, verstehen mich besser“, sagt die 19-jährige Tatiana Gruzinova. In ihrer Freizeit besucht sie am liebsten die russische Disco, wo nicht nach englischen Hits, sondern nach russischem Hip-Hop getanzt werde.


Nur die Spätaussiedler-Kinder fehlten

Hofheim – Ursprünglich war der Treff für Kinder aus den Asylunterkünften und Übergangswohnheimen der Spätaussiedler gedacht. Als Barbara Heimberger im vergangenen Jahr dessen Organisation in Hofheim bei Frankfurt am Main übernahm, fand sie, dass mit dieser Zusammensetzung „der interkulturelle Aspekt nicht ganz erfüllt ist“, schreibt der «Wiesbadener Kurier» am 25. Juli. Sie nahm fortan einheimische Kinder dazu – mit Erfolg, wie die Zeitung berichtet. Zwei Wochen lang trafen sich in diesem Sommer 36 Kinder aus acht verschiedenen Nationen zum „Interkulturellen Ferientreff“, den das Kreissozialamt nun schon im vierten Jahr organisiert. Zuerst besuchten sie im Frankfurter Weltkulturen-Museum eine Ausstellung über Indianer, und in der übrigen Zeit bastelten sie und malten, um aus sich selbst kleine Indianer zu machen. „Am schönsten war das Reiten“, schwärmt Nemsi, Sprössling einer Asylbewerberfamilie aus Hofheim. Nur die Spätaussiedler-Kinder fehlten diesmal dabei. „Sie sind jetzt gut integriert und gehen lieber mit Freunden ins Schwimmbad, berichtete Barbara Heimberger.


Und später Elektrotechnik studieren

Beilrode – Alexander Kobert zieht um, vom ostelbischen Beilrode nach Augsburg. Mit Bruder Waldemar und den Eltern, die alle schon seit zwölf Jahren in Deutschland leben, will der 17-jährige Russlanddeutsche aus Kasachstan seine Schulkarriere in Bayern fortsetzen. Die Abschlussprüfung an der Realschule von Beilrode hat er mit einem Notendurchschnitt von 1,0 geschafft und ist deshalb mit dreizehn anderen Realschulabsolventen „vom Staatssekretär persönlich ausgezeichnet“ worden, berichtet die «Torgauer Zeitung» am 24. Juli. Nach dem Abitur will er Elektrotechnik studieren.


Mennonitische Parallelgesellschaft

Porta Westfalica – In der Integrationsdebatte ist viel von Parallelgesellschaften die Rede, die nicht entstehen dürften oder deren Bestand eine latente Gefahr für die deutsche Gesellschaft sei. Fast immer sind muslimische Zuwanderergruppen gemeint, schreibt die «Zeit» am 27. Juli: „Muslime auf dem Integrationsgipfel im Kanzleramt, Muslimgipfel im Innenministerium, Einwanderungsbögen mit eindeutigem Zuschnitt.“ Dabei lebten schätzungsweise 320.000 russlanddeutsche Evangelikale in der Bundesrepublik, einige von ihnen Baptisten, die meisten Mennoniten. Sie kapseln sich ab, bleiben unter sich und erziehen ihre Kinder nach christlich fundamentalistischen Regeln. Ihnen sind alle Errungenschaften der freiheitlichen Gesellschaft des Teufels, heißt es in dem Beitrag. Alles Weltliche sei den Religiösen verpönt, die Frauen ausdrücklich den Männern untertan. Mit den grundgesetzlich verbrieften Rechten eines Bundesbürgers haben ihre Vorstellungen nichts zu tun. Im Gegenteil: Viele von ihnen widersprechen der Verfassung. Auf die Frage, warum diese Fundamentalisten keine Rolle bei der Diskussion um Parallelgesellschaften spielen, kommt die Zeitung zu dem Schluss: Weil sie unpolitisch sind. „Sie setzen auf Mission statt auf Revolution zur Verbreitung ihrer Thesen.“


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