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16. bis 22. Juni

Netz des „Heiligen Abschtschjak“

München – Bayerns Gefängnisse haben mit russlanddeutschen Häftlingen ihre liebe Not. Von Mafia-Zuständen ist die Rede. Insassen haben aus Erpressung, Drogenhandel und brutaler Ausbeutung von Mitgefangenen ein kriminelles Netz geknüpft, dem die Gefängnisleitungen nicht gewachsen sind, berichtet die «Süddeutsche Zeitung» am 19. Juli. Friedhelm Kirchhoff, Leiter der JVA Kaisheim, hat resigniert: „Das Problem kann man nicht lösen.“ Eine Razzia der bayerischen Polizei hat kürzlich wieder das Ausmaß der kriminellen Vereinigung vor Augen geführt, schreibt die Zeitung. Durchsucht wurden gleichzeitig zwei Gefängnisse sowie mehrere Privathäuser und Wohnungen. Das Resultat: Die Justiz ermittelt gegen 25 Beschuldigte wegen Drogenhandels und räuberischer Erpressung, zwei Drittel von ihnen sind Häftlinge. Alle stammen aus Russland und sind Mitglied des „Heiligen Abschtschjak“, eine Art Mafia, die den Behörden seit Jahren zu schaffen macht. Was sich - ins Deutsche übersetzt: „Sozialkasse“ - wie eine gemeinnützige Einrichtung anhört, stellt in Wirklichkeit eine straff organisierte Bande dar. An der Spitze stehen „Drahtzieher“, heißt es in der SZ, die mit brutalen Methoden für absolute Unterordnung der Mitglieder sorgen. Mit dem Geld, das jeder russlanddeutsche Häftling als Schutz- oder Strafgeld abführen muss, werden Drogen besorgt oder Rechtsanwälte finanziert. Zudem schotteten sich die Häftlinge gegen Gefängnispersonal und Mitgefangene perfekt ab. Sie sprächen einen Slang, den nicht einmal russische Muttersprachler mit Dolmetscher-Diplom verstehen könnten. Zwischen 2002 und heute habe sich die Zahl der russischstämmigen Häftlinge in Bayern von 700 auf 1.350 fast verdoppelt. Rund zwölf Prozent aller männlichen Gefangenen stammen aus der ehemaligen Sowjetunion.


Aussiedler nicht integriert

Trier – Die Integration von Russlanddeutschen in der Region Trier ist bislang nicht gelungen, schreibt der «Trierische Volksfreund» am 17. Juli über eine Studie des Soziologen Waldemar Vogelgesang. Obwohl die Spätaussiedler den Wunsch hätten, „in Deutschland als Deutsche zu leben“, seien sie von der einheimischen Bevölkerung weitgehend isoliert. Ihre Wohngebiete würden als „Russenviertel“, „Russenghettos“ oder „Kleinkasachstan“ bezeichnet. Unter den zugewanderten Jugendlichen sprächen nur wenige Deutsch. Auch seien sie unmotiviert, weil sie zumeist unfreiwillig die Heimat verlassen mussten und sich in Deutschland nicht zu Hause fühlten. Probleme in der Schule seien vorgezeichnet, Ausbildungsplätze eine Rarität. Die Folge: „Frust, der nicht selten mit übermäßigem Alkohol betäubt wird.“


Sehnsucht nach eigenem Garten

Köln – Schrebergärten sind sehr gefragt, auch unter Zuwanderern. Von den 22 Interessenten, die sich derzeit bei der Kölner Kleingarten-Anlage „Berberitzenweg e.V.“ um eine freiwerdende Parzelle bewerben, sind 16 Migranten. Derzeit schon hat „knapp ein Drittel unserer 112 Pächter einen Migrationshintergrund“, rechnet Vereinskassierer Joachim Hacker dem «Kölner Stadtanzeiger» vom 16. Juli vor. Es seien Türken, Russlanddeutsche, Polen und Italiener. Nach Auskunft des Kölner Kreisverbands der Kleingartenvereine mischen sich in vielen städtischen Grün-Oasen die Kulturen: „Die Anlagen sind zum Spiegelbild unserer bunt gemischten Gesellschaft geworden.“ Der Berliner Bundesverband Deutscher Gartenfreunde hat in einer Studie ermittelt, dass es Zuwanderer aus Osteuropa und der Türkei derzeit verstärkt in die Schrebergärten zieht. Viele stammten aus ländlichen Gebieten und sehnten sich auch in der neuen Heimat nach einem Stück Erde, das sie selbst bepflanzen könnten. Manchem Zugereisten machen die traditionellen Gartensatzungen mit ihren komplizierten Verhaltensregeln allerdings zu schaffen, schreibt die Zeitung. Menschen aus Osteuropa erinnere das enge Regelwerk gar an die alten Zeiten. „Ist ja schlimmer als während der Diktatur des Proletariats“, lauteten die spöttischen Kommentare.


Rechtsprobleme mit Rechtsradikalen

Magdeburg – Nach dem Überfall von Rechtsradikalen auf einen Russlanddeutschen vor dem Klub „S 26“ in der Magdeburger Johannes-R.-Becherstraße will die Stadtverwaltung diesen Klub nun schließen. Er dient seit langem schon der rechtsradikalen „Kameradschaft Festungsstadt“ als Treffpunkt für Partys, für Konzerte und Schulungen, berichtet die «Magdeburger Volksstimme» am 19. Juli. Stadtverordnete hätten es bislang als rechtlich schwierig bezeichnet, den Klub aufzulösen. Anders als im Fall eines linksradikalen Treffs sei es bislang nicht möglich gewesen nachzuweisen, dass im „S 26“ Straftaten verabredet worden seien. Selbst Polizeieinsätze vor Ort hätten nicht einmal eine Personalienkontrolle vornehmen können, weil die Klub-Besucher „so aggressiv und betrunken aufgetreten sind“. Nun soll dem Dortmunder Eigentümer der Räume, in dem sich die Rechtsradikalen treffen, eine Verfügung zugehen, die den Weiterbetrieb der Anlage als Vereinsgebäude, Treff, Klub oder Lokal untersagt. Es gebe für das Haus nämlich nur eine Genehmigung zum Betreiben eines Drogeriemarktes, der irgendwann aber geschlossen worden war. Weil die neue Nutzung im Grunde von Anfang an illegal gewesen sei, werde die Stadt die Schließung jetzt mit sofortiger Wirkung veranlassen.


„Keine Haftsache“
 
Rostock – Sieben rechtsextremistische Randalierer, die an einem Ostsee-Strand in Mecklenburg mit einer Maschinenpistole in die Luft geschossen hatten, sind wieder auf freiem Fuß, berichtet «Die Welt» am 18. Juli. Die Neonazis haben nach Zeitungsangaben an einer Badestelle am Krakower See ausländerfeindliche Parolen gebrüllt, den Hitlergruß gezeigt, Badegäste belästigt und schließlich in die Luft geschossen. Ihre Aggressivität habe sich besonders gegen Familien von Spätaussiedlern gerichtet, die dort badeten. „Es handelt sich nicht um eine Haftsache“, sagte der Rostocker Oberstaatsanwalt Peter Lückemann zur Begründung für die Freilassung der Täter. Es werde nur noch wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz sowie Verwenden von Nazi-Symbolen ermittelt und nicht mehr wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz. Der Grund: Die verwendete Maschinenpistole (Baujahr 1925) sei zwar geladen gewesen, aber zu alt, um unter das Kriegswaffenkontrollgesetz zu fallen. Zudem seien die Täter bislang nicht aufgefallen und hätten die Handlungen zugegeben.


„Merkwürdiges Verständnis von Integration“

Hannover – „Russische Polizisten im Einsatz gegen Spätaussiedler in Deutschland?“, fragen die «Westfälischen Nachrichten» am 19. Juli in einem Beitrag über Pläne des Polizeipräsidenten von Hannover, Hans-Dieter Klosa. Klosa will im Rahmen eines Beamtenaustauschs Polizisten aus der russischen Partnerstadt Iwanowo unter anderem bei Auseinandersetzungen mit jungen Spätaussiedlern einsetzen. Diese hätten zum Teil „ein anderes Verhältnis zur Gewalt“ mit nach Deutschland gebracht. Die Kollegen aus Iwanowo hätten Erfahrung im Umgang mit solcher Gewalt. Der Zeitung nach sieht der Polizei-Chef „erhebliche Probleme“ mit 16- bis 30-jährigen Russlanddeutschen. Bei ihnen gebe es etwa doppelt so viele Widerstandsdelikte wie bei der angestammten Bevölkerung. Auch der niedersächsische Landeschef der Polizeigewerkschaft GdP meint, viele Russlanddeutsche seien „einen anderen Umgang mit der Polizei gewohnt“. Auf heftige Kritik stößt das Vorhaben dagegen beim Aussiedlerbeauftragten der Bundesregierung, Christoph Bergner. Klosas Äußerungen seien „geeignet, Vorurteile zu schüren“ und offenbarten einen „Mangel an Sensibilität im Umgang mit der leidvollen Geschichte der Russlanddeutschen“. Zudem offenbarten sie „ein merkwürdiges Verständnis von Integration“. Den Vorsitzenden der Göttinger Gesellschaft für bedrohte Völker, Tilman Zülch, zitiert das Blatt mit der Äußerung: „Statt totalitär geprägte Polizisten gegen deutsche Bürger einzusetzen, sollte Hannovers Polizei endlich eine ausreichende Zahl Polizisten russlanddeutscher Herkunft einstellen“. Auf russischen Polizeiwachen würden nach seiner Kenntnis „geprügelt, misshandelt und auch gefoltert“.


Soziale Brennpunkte entschärft

Kempten – Mit Millionenaufwand wurde der ehemalige soziale Brennpunkt im Kemptener Stadtteil Thingers entschärft, berichtet die «Allgäuer Zeitung» am 20. Juli. Seit sieben Jahren gibt es hier das Projekt ‚Soziale Stadt’, das schließlich dazu beigetragen habe, Einheimische, Russlanddeutsche und andere Migranten zu befrieden. Ehrenamtliche Helfer hätten dabei enormes Engagement gezeigt. Das habe sie „noch ganz anders in Erinnerung“, sagte die Grünen-Chefin Claudia Roth dieser Tage beim Gang durch einen neu angelegten Bürgerpark. Zuletzt hatte sie Thingers im Februar 2002 besucht.

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