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15. bis 21. Dezember

Auch deutsche Opfer des Holodomor

Frankfurt am Main – Über die Frage, gegen welche Nationalitäten sich der Hungerterror in der Ukraine richtete, gerät jene Volksgruppe aus dem Blick, die das Land überhaupt erst zur Kornkammer gemacht hat: die deutsche. Das schreibt Dietmar Frey aus Berlin in einem Leserbrief, den die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« am 18. Dezember abdruckt. „Ohne Zweifel fielen der Hungersnot 1932/33 tausende Russlanddeutsche zum Opfer, darunter besonders viele Schwarzmeerdeutsche auf dem Gebiet der Ukraine. Von den Zaren ins Land gerufen, hatten sie die Steppe urbar gemacht und fortschrittliche Anbaumethoden eingeführt.“ Die deutschen Opfer des Holodomor verdienten jedenfalls das Mitgefühl ihrer Landsleute ebenso wie die Toten ukrainischer oder anderer Herkunft.


Tanzkarriere in den USA

Oranienburg – Zum ersten Mal in ihrem Leben müssen die heute 19-jährigen Zwillinge Elisabeth und Isabelle Begschanow für längere Zeit getrennt leben, berichtet die »Märkische Allgemeine« am 15. Dezember. Nur zu Weihnachten sind sie für einige Tage wieder zusammen gekommen. Elisabeth hat seit dem Sommer ein Engagement als Tänzerin bei der Musicalgruppe ‚Young Americans‘ in Los Angeles angenommen und dafür eine mindestens einjährige Pause am Oranienburger Gymnasium eingelegt, an der ihre Schwester Isabelle bald das Abitur machen wird. Die Beiden haben schon im Alter von sechs Jahren angefangen zu tanzen, heißt es in dem Bericht, damals noch in einer Ballettgruppe in Turkmenistan. Im Jahr 2001 kamen sie mit ihren Eltern als russlanddeutsche Spätaussiedler nach Oranienburg. Nicht nur derzeit, auch in Zukunft könnten die Zwillinge getrennt leben müssen. Isabelle möchte studieren, während ihre 15 Minuten jüngere Schwester sagt: „Ich will Performerin werden, singen und tanzen.“


„Ein Gewinn für das Emsland“

Meppen – Über 22.000 Russlanddeutsche sind seit 1988 ins Emsland gekommen, schreibt die »Neue Osnabrücker Zeitung« am 16. Dezember. Das seien mehr als sieben Prozent der gesamten Bevölkerung des Landkreises, in der Gemeinde Werlte sogar über 15 Prozent. Bei der Vorstellung des ersten emsländischen Integrationsberichts im Kreistag zog Kreisdezernent Bernd Kuckuck dieser Tage das Fazit: „Wir haben die Herausforderung gemeistert. Die Integration der Aussiedler ist heute ein Gewinn für das Emsland.“ Die Neuankömmlinge seien „der Motor unserer Wirtschaft“ und sorgten mit ihren kinderreichen Familien für eine ausgewogene demographische Entwicklung. Der Kreistagsabgeordnete Peter Raske merkte allerdings an, einige Russlanddeutsche seien resigniert und enttäuscht in ihr Herkunftsland zurückgekehrt.


Kalt geräucherter Fisch für Aussiedler

Ehingen – Wer fern der Heimat ist, möchte sich wenigstens beim Essen noch ein bisschen an Heimatlichem festhalten, meint Natalia Getinger. Als Geschäftsführerin von ‚Inter Mix‘, einem Lebensmittelladen im schwäbischen Ehingen, kennt sie die Wünsche ihrer wachsenden Kundenschar: getrockneter „Blauen Wittling“ in Streifen, Essiggurken, Tomaten im Glas, Borschtsch, polnische Krakauer und kalt geräucherter Fisch. Fast alle Kunden sind Aussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion, Polen und Rumänien. An der Kasse wird vorwiegend Russisch gesprochen, im Hintergrund läuft ein russisches Fernsehprogramm, berichtet die »Südwest Presse« am 16. Dezember.

Kürzlich ist der Laden umgezogen. Die ehemaligen Räume waren dem wachsenden Kundenstamm zu eng geworden. „In Ehingen haben sich die Aussiedler so weit eingegliedert, dass sie mit ihren Großfamilien im Gollenäcker Häuser bauten und in den lokalen Firmen als Arbeitskräfte präsent sind“, so die Zeitung.


Ausländerbeiräte werden abgeschafft

Münster – In Münster könnte 2009 der Ausländerbeirat abgeschafft werden, berichtet die »Münstersche Zeitung« am 15. Dezember. Ein Gesetzentwurf des Nordrhein-westfälischen Innenministeriums sehe vor, das Gremium, in dem nur Ausländer vertreten sind, in einen ‚Migrationsrat‘ oder in einen ‚Migrationsausschuss‘ umzuwandeln. Im ‚Migrationsrat‘ wären auch Bürger mit „Migrationsvorgeschichte“ vertreten, also eingebürgerte Ausländer und Spätaussiedler; im ‚Migrationsausschuss‘, der künftig direkt dem Stadtrat angegliedert und mehr Rechte erhalten soll als der gegenwärtige Ausländerbeirat, dürften weiterhin nur die „echten“ Ausländer repräsentiert sein. Dass noch immer unklar ist, für welche Variante sich die Landesregierung Anfang 2009 entscheiden wird, sei vom Vorsitzenden des Ausländerbeirats, Spyros Marinos, heftig kritisiert worden, heißt es in der Zeitung. In beiden Modellen „steckt der Teufel im Detail“.


Langer Lauf zum Sieg

Freigericht – Bis zu 230 Kilometer läuft Irina Mikitenko jede Woche allein im Training. Im hessischen Freigericht, wo die 36-jährige Marathonläuferin mit ihrem Mann und den Kindern Vanessa (3) und Alex (14) lebt, ist weniger das Laufen als der häusliche Alltag die wahre Herausforderung, schreibt die »Financial Times Deutschland« am 17. Dezember und zitiert Irina Mikitenko mit der Äußerung, „allein hätte ich keine Chance“. Doch ihr Mann Alexander, Metallarbeiter im Acht-Stunden-Schichtdienst, sei auch noch Vater, Manager, Trainer, Koch und Masseur. Ohne die Unterstützung ihrer Eltern wäre sie allerdings verloren. 1996 kam die Spätaussiedlerfamilie aus Kasachstan nach Deutschland. Seit Mikitenko den Marathonlauf in Berlin und London gewonnen und als Siegerin der World-Marathon-Majors-Serie mit 500.000 US-Dollar die höchste Gage ihrer Karriere eingenommen hat, geht es der Familie auch finanziell besser, so die Zeitung. Am 23. August 2009, wenn sie 37 Jahre alt wird, möchte Mikitenko in Berlin auch noch den WM-Marathon gewinnen.


Glück auf Abruf

Delmenhorst – Elena Wander kann ihr Glück kaum fassen. Immer wieder berührt sie ihre Tochter Angelika, streichelt und küsst sie, als müsse sie sich vergewissern, dass ihre Tochter tatsächlich neben ihr auf dem Sofa ihrer Wohnung in Delmenhorst sitzt, schreibt die »Nordwestzeitung« am 19. Dezember. Seit April waren die Beiden getrennt, „weil die deutschen Behörden es so wollten“. Vor über einem Jahr hatte die 33-jährige Elena Wander in Kaliningrad für sich und ihre Tochter ein Visum nach Deutschland beantragt, wo der Rest ihrer Familie seit Jahren lebt. Im Februar 2008 durfte sie ausreisen, allerdings ohne Angelika. Im Vertrauen darauf, die Tochter bald nachholen zu dürfen, kam sie nach Deutschland und ließ das Mädchen in der Obhut von Bekannten zurück.

Da sie fast ohne Sprachkenntnisse und Aussicht auf Arbeit den Unterhalt ihres Kindes nicht tragen könne, müsse die Tochter in Russland bleiben, legten die Behörden allerdings fest. Nachdem die Familie beim Verwaltungsgericht in Berlin schließlich gegen die Bundesrepublik Deutschland klagte und das Gericht dem Auswärtigen Amt nahelegte zu prüfen, ob nicht ein Härtefall vorliege, „ging alles ganz schnell“, heißt es in dem Bericht. Angelika bekam das Visum unter der Bedingung, die Klage zurückzuziehen und sämtliche Kosten für Anwalt und Gericht zu übernehmen. Im April läuft das Visum der Beiden wieder aus.


„Das eigene Anderssein akzeptieren“

Berlin – Zu sechst kam die Familie 1992 mit 20 Koffern aus Iwanowka in Nordkasachstan nach Berlin, mittendrin die damals 33-jährige Nelli Stanko, berichtet »Die Tageszeitung« am 21. Dezember. In Iwanowka wurde nur Deutsch gesprochen, erzählt sie, die seit nunmehr fünf Jahren Leiterin der Zentralen Beratungsstelle für Aussiedler in Berlin ist. Noch liegt ihr Büro im ehemaligen Notaufnahmelager Berlin-Marienfelde, das seit 1990 etwa 50.000 Aussiedler und Juden aus der ehemaligen Sowjetunion aufgenommen hat. Ende Dezember wird das Lager geschlossen. Stankos neue Aufgabe wird die Integration von Behinderten sein, so die Zeitung.

Mit perfekten Deutschkenntnissen kam die studierte Germanistin damals nach Berlin. In ihrer Generation sei die deutsche Tradition aber gekippt, sagt sie. Ihre sechs- und elfjährigen Töchter sprachen besser Russisch als Deutsch, bevor sie aussiedelten. Als sie ihren Mann in Berlin zum Deutschkurs anmeldet, bietet ihr der Leiter der Sprachschule gleich eine Stelle als Deutschlehrerin an. Damit steht sie zwei Wochen nach der Ausreise aus Kasachstan vor ihrer ersten Aussiedlerklasse. Im Laufe der Zeit entwickelt Nelli Stanko ein dreistufiges Integrations-Modell für Deutsche, die in Deutschland fremd sind, schreibt die taz. Entscheidend für eine gelingende Integration aber sei, „dass man das eigene Anderssein akzeptiert – und es sogar als Vorteil begreift“.


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