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11. bis 17. September

Auf Augenhöhe

Korbach – „Auf Augenhöhe – Deutsche aus Russland zwischen Hoffnung und Vorurteil“ heißt eine Ausstellung im Wolfgang-Bonhage Museum der hessischen Stadt Korbach, die vom 17. September bis Ende November Stationen aus der Geschichte von Deutschen aus Russland dokumentiert: „Bruchstücke unserer Kultur“, wie Katharina Neufeld, Ausstellungsleiterin und selbst Russlanddeutsche der «Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen» am 14. September mitteilt. Die Ausstellung zeigt persönliche Dokumente von Russlanddeutschen, also auch Objekte, die die lange Reise von Deutschland nach Russland und zurück überstanden haben. Begonnen hat diese Reise 1763 mit dem Manifest von Zarin Katharina II., das deutsche Siedler ins Zarenreich lockte, wo sie im Laufe der Zeit zu einer festen Größe im wirtschaftlichen und kulturellen Leben wurden – bis im 20. Jahrhundert die Zeit der Unterdrückung und Verfolgung einsetzte. Zur Ausstellung gehören auch zwei Fernseh-Präsentationen, in denen sich Spätaussiedler mit den Gründen für ihre Ausreise nach Deutschland auseinandersetzen.


Hemmungen durch Sprachprobleme

Neuhardenberg – 70 Briefe hat Valentina Eirich von der Neuhardenberger Begegnungsstätte an russlanddeutsche Familien geschickt, die in dieser brandenburgischen Gemeinde leben; 48 Antworten kamen zurück. Mit ihrer Briefaktion wollte die Betriebswirtin, die selbst 1993 nach Deutschland kam und seit einem Jahr beim Kinderring Neuhardenberg beschäftigt ist, herausfinden, wie die Aussiedler ihre Deutschkenntnisse einschätzen und welche Folgen fehlende Sprachkenntnisse für die Integration haben, berichtet die «Märkische Oderzeitung» am 11. September. Wie die Antworten zeigen, äußerte die Hälfte der Befragten Defizite; nur ein Viertel beurteilte sein Deutsch als sehr gut oder gut. Zudem würden sich mehr als 80 Prozent der russlanddeutschen Zuwanderer gerne ins kulturelle Leben der Gemeinde einbringen, verzichten aber wegen der Sprachprobleme auf den „wichtigen ersten Schritt“. Aus dem gleichen Grund sei es für sie auch nicht möglich, Vertrauenspersonen im Kindergarten und in der Schule zu finden. Nachdem Valentina Eirich die Ergebnisse der Briefaktion der Neuhardenburger Gemeindevertretung vorgestellt hatte, kann das Begegnungszentrum mit Hilfe der Gemeinde und einiger Vereine den Russlanddeutschen künftig mehr Hilfe anbieten. So wird es einerseits demnächst wieder Deutschkurse geben, andererseits sollen sich Spätaussiedler mit Kita- und Schulvertretern zusammensetzen und versuchen, Kommunikationsprobleme zu lösen.


Wahlkampf um Russlanddeutsche

Berlin – Bei den Berliner Landtagswahlen, die über die Zusammensetzung des nächsten Berliner Senats entscheiden, ist auch um die Stimmen der Spätaussiedler geworben worden. Dies gilt vor allem im Ostberliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf, wo über zehn Prozent der 250.000 Einwohner Russlanddeutsche sind und als wahlentscheidend gelten. Vorbei sind die Zeiten, schreibt die Berliner «Tageszeitung» am 12. September, als die meisten Spätaussiedler CDU wählten (während der Bundestagswahlen im vergangenen Jahr haben gerade 14 Prozent der wahlberechtigten Russlanddeutschen in Marzahn-Hellersdorf CDU gewählt). Dennoch verzeichnet die CDU hier fast 50 Spätaussiedler als Mitglieder, während die Grünen wie die SPD kein einziges russlanddeutsches Mitglied haben. Mit einer reinen Spätaussiedler-Liste trat die rechte Splitterpartei „Rechtstaatliche Offensive“ an, die ihre Wahlkampf-Flugblätter vor Russlanddeutschen-Treffs verteilte. Vertreter verschiedener Parteien wurden während des Wahlkampfs immer wieder von Spätaussiedlern gefragt, schreibt die Zeitung, was das denn für eine Partei sei, die auf Russisch davor warnte, „Stimmvieh“ für CDU und SPD zu sein.


Falsche Spätaussiedler-Bescheide zurückgezogen

Freiberg – Rund 200 vom sächsischen Landratsamt Freiberg verschickte Spätaussiedler-Anerkennungen werden zurückgezogen. Wie die «Freie Presse» am 13. September berichtet, ist dem Sachbearbeiter im zuständigen Ausländeramt, der die Bescheide verschickt hatte, inzwischen gekündigt worden. In den vergangenen Monaten seien die Spätaussiedler-Akten des Landkreises mit den Vorschriften des Bundesvertriebenengesetzes verglichen worden. Dabei seien die falschen Anerkennungen aufgefallen. Sie werden nun zurückgenommen.


Toiletten geputzt

Hürth – Lydia Underberg kann es kaum glauben, dass auch einmal „etwas Positives über Spätaussiedler“ berichtet werden soll. Die 69-jährige Deutsche aus Kyrgyzstan glaubt, immer nur Negatives über Russlanddeutsche gelesen zu haben, berichtet der «Kölner Stadtanzeiger» am 14. September. Von einer einheimischen Deutschen sei sie einmal gefragt worden, wie viel Geld Spätaussiedler eigentlich bekommen, dass sie sogar Häuser bauen könnten und Möbel hätten. Die Familie Underberg hat ihr kirgisisches Dorf Orlow nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion verlassen, als die Deutschen aufgefordert worden seien, „geht in eure BRD und fresst uns nicht das Brot weg“. Heute leben die Underbergs mit ihren Kindern und Enkeln im Eigenheim in Hürth bei Köln. „Von uns ist nie jemand zum Sozialamt gegangen“, erzählt Lydia, obwohl wenigstens sie und ihr Mann beruflich in Deutschland wieder bei null anfangen mussten. Als ausgebildete Lehrerin habe sie hier „erst mal Toiletten geputzt“. Doch Kinder und Enkel haben ihren Weg gemacht und sind integriert. „Wir haben auch nicht so viel Kontakt zu diesen russischen Cliquen“, erzählt Enkelin Katharina. „Dass man einen deutschen Freund hat, geht für die schon gar nicht“, sagt sie, die mit ihrem deutschen Freund zusammenlebt.


„Jetzt noch mehr Probleme“

Amberg – Für drei Jahre und dreieinhalb Monate muss ein 32-jähriger Russlanddeutscher aus dem bayerischen Nittenau hinter Gitter. Zu dieser Strafe hat ihn das Amberger Landgericht unter Vorsitz des Landgerichtspräsidenten Klaus Demmel verurteilt, berichtet die «Mittelbayerische» am 12. September. Dem Delinquenten wurde der unerlaubte Drogenbesitz und Handel mit Rauschgift, vor allem Heroin, in acht Fällen vorgeworfen. „Ich habe Drogen genommen, weil ich Probleme hatte und habe jetzt noch mehr Probleme“, kommentierte der Spätaussiedler seine Verurteilung. Verteidigt wurde er von einem Anwalt, der aus einer TV-Gerichtsshow bekannt ist. Wie die Zeitung berichtet, traten im Verlauf des Prozesses ein paar Merkwürdigkeiten auf. Zum einen tat sich eine vom Gericht hinzugezogene Dolmetscherin sehr schwer beim Übersetzen von russischsprachigen Telefonaten, die zur Beweisführung vorgelegt wurden, „so dass der Inhalt der Gespräche nicht zwangsläufig mit den Protokollen in Einklang zu bringen war“. Zum anderen erinnerte der Verteidiger ohne Not das Gericht an eine frühere Verurteilung des Angeklagten. „Das ist das erste Mal, dass die Verteidigung über eine Verurteilung verfügt, von der das Gericht nichts weiß“, zitiert die Zeitung den staunenden Landgerichtspräsidenten Demmel.


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