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Wo liegt Mantakistan? - Seite 5

Früher hätte es mehr Austausch mit den deutschen Minderheiten im Sudetenland, in Rumänien und in Ungarn gegeben. Das Kulturministerium fördere Minderheiten in der Slowakei indes wenig, zahle kaum, hingegen müsse man Projekte immer wieder neu einreichen. Mit den Ungarnschwaben treffe man sich noch, jedoch seien die kaum noch des Deutschen mächtig, während es aus finanziellen Gründen nicht mehr möglich sei, den Kontakt mit den Siebenbürger Sachsen zu pflegen. Im Sommer finden die Metzenseifner Tage statt, zu denen auch immer weniger Besucher der vor allem nach Deutschland ausgewanderten Familien kämen. „Es ist nichts zu machen“, stellt Bistika lakonisch fest.

Obwohl Untermetzenseifen in absoluten Zahlen die meisten Karpatendeutschen versammelt, reicht es nicht, um dem slowakischen Medzev auf der Ortstafel zu trotzen. „Bei der vorletzten Zählung sind es in Metzenseifen siebzehn Ganze sechs Prozent, 2001 dann nur noch vierzehn Ganze sieben Prozent gewesen“, rechnet Walter Bisitka vor und wiederholt dann einmal mehr wie ein Mantra: „Es ist nichts zu machen.“ Um auf der Ortstafel anzuschreiben, müssten sich mindestens zwanzig Prozent zur deutschen Nationalität bekennen, und so ist Blaufuß, ein kleines Dorf in der Oberzips, gegenwärtig die einzige Gemeinde in der Slowakei, die es noch auf ein deutsches Ortsschild bringt.

Ein großes Problem in Metzenseifen und in der Ostslowakei im Allgemeinen sei die hohe Arbeitslosigkeit. Für die Männer sei es kaum noch möglich, Arbeit zu finden, weshalb sich allein aus seinem Heimatort 160 Frauen als Pflegerinnen in Österreich verdingen müssten, zwei Wochen dort, zwei Wochen daheim – mit 650  Euro könne man die Familie schon durchbringen. Einen weiteren Missstand ortet Bistika im Zuzug und der Vermehrung der Roma. In Metzenseifen gebe es heute nur noch eine „weiße“ Schulklasse, aber drei „Zigeuner-Klassen“, die Geburtenzahlen seien bei den kinderreichen Roma-Familien wesentlich höher. Wo das hinführen werde, könne man bereits in Jasov, dem Nachbarort, der einst mehrheitlich ungarisch war, sehen.

Dort werden die wenigen weißen Kinder heute mit Bussen in andere Dörfer zur Schule gebracht, die Roma sind längst in der Mehrheit. Sie bleiben unter sich, in Plattenbauruinen, die weder Türen noch Türrahmen haben, sondern nur Löcher, die eher an Zutritte steinzeitlicher Höhlen erinnern, als an Eingänge in eine zeitgemäße Lebenswelt. Das Leben spielt sich ohnedies vor diesen tristen Wohnstätten, im Schatten der prunken, jedoch verfallenden Klosteranlage ab: Männer, Frauen und Scharen von Kindern, für die die vorbeiführende Landstraße längst ein Spielplatz geworden ist, scheinen die Zeit bis zur Dämmerung totzuschlagen, die einen Schleier legen wird über ihre menschenunwürdige Existenz, außerhalb der Gesellschaft, die sie ächtet und diskriminiert.

Im Ortszentrum von Metzenseifen herrscht nun Leben. Herr Böhm grüßt einen Bekannten, den er als Herrn Deutsch vorstellt, als könne dieser nicht sprechen. Das Deutsche gilt hier nachgerade als Fremdsprache: „Er heißt zwar so, aber kann nicht Deutsch“, klärt Herr Böhm auf, der Mann spreche eben nur Mantakisch. Vor dem ursprünglich gotischen Kirchengebäude, dessen Umbau Georg Sorger (1669-1739), ein gebürtiger Metzenseifner, der von Kaiser Karl VI. als Bischof von Siebenbürgen nominiert worden war, förderte, werben heute Leute von Greenpeace um Unterstützung, darunter sogar Amerikaner und Franzosen, weil die kanadische Firma Tournigan Gold in Jahodná, das für einen Laien in Kenntnis der hiesigen Eissorten eher nach „Erdbeerland“ klingt, den Abbau von Uran plant.

Man unterschreibt gerne gegen die Mine, sollen sie doch lieber Erdbeeren pflanzen in Jahodná. Den Hauch von Welt, den die Umweltschützer in diesen abgeschiedenen Winkel bringen, hatte davor jedoch auch einer aus den eigenen Reihen versprüht. Metzenseifen hat einen weltberühmten Schuster hervorgebracht, der in die Welt hinauszog, um George W. Bush in dessen Büro zu besuchen. Nicht dass er ihm die Maße abnahm oder sein Schuhwerk flickte, nein, er begegnete dem mächtigsten Mann der Welt auf Augenhöhe.

Rudolf Schuster, der aus einer karpatendeutschen Familie stammt, war erster Mann seines Landes, nachdem er als studierter Ingenieur eine steile Karriere hingelegt hatte. Nach dem Aufstieg zum Manager der „Ostslowakischen Eisenwerke“, war Schuster in die Politik gewechselt, Primator, also Oberbürgermeister von Košice, dann Botschafter in Kanada und schließlich Präsident geworden, der in Medzev auch Staatsgäste hofierte. Heute komme er kaum mehr in seine Heimatstadt, obwohl er sich hier im elterlichen Anwesen, gleich neben dem „Haus der Begegnung“, nicht ganz uneitel, ein eigenes Privatmuseum mit Bildern aus dem Oval Office und anderen Erinnerungsstücken eingerichtet habe.

„Der krebst lieber irgendwo am Nordpol herum oder hält sich in Kaschau auf, wenn er kommt, dann um Gästen sein Museum zu zeigen“, bemerkt ein Alteingesessener süffisant. Schuster sei es aber zu verdanken, dass im Dombachtal, wo einst ein wahres Hammerorchester musiziert haben muss, noch ein Werk erhalten werden konnte. Dieses wird gelegentlich zu Schauzwecken in Funktion gesetzt, während jenes an der Hauptstraße, übrigens im Besitz des „Technischen Museums“ von Košice, langsam verfällt.

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