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„Wir wollen uns dieser Verantwortung stellen“

Aussiedlerbeauftragter spricht zum 28. August in Barnaul
„Wir wollen uns dieser Verantwortung stellen“ Aussiedlerbeauftragter Dr. Christoph Bergner
Foto: Sergej Belokon

Barnaul (ORNIS) - Die Bundesregierung wird den Deutschen in Russland auch in Zukunft zur Seite zu stehen. Das unterstrich der Aussiedlerbeauftragte Christoph Bergner am 28. August bei einer Gedenkveranstaltung im westsibirischen Barnaul. An diesem Tag jährte sich zum 65. Mal der Beschluss der sowjetischen Regierung, die deutsche Bevölkerung vornehmlich der Wolgaregion zu deportieren und damit jahrelanger Willkürherrschaft auszusetzen. Der Erlass war nicht zuletzt auch ein Racheakt für den Angriff deutscher Truppen auf die Sowjetunion. In seiner Gedenkrede im Russisch-Deutschen Haus der westsibirischen Stadt hob Bergner die bleibende Mitverantwortung Deutschlands für das Schicksal der Russlanddeutschen hervor:

Liebe Landsleute hier in Barnaul, meine Damen und Herren.

Ich bin sehr dankbar, dass ich gerade an dem heutigen Datum hier sein kann und teilhabe an dem Gedenken und auch an der Trauer, die sich für die Russlanddeutschen mit diesem 28. August verbindet, und diesen Gedenktag – es ist der 65. – gemeinsam mit Ihnen begehen kann. Dieser Tag ist nicht nur ein wichtiger Tag für die Russlanddeutschen hier in Russland und in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Es ist ein wichtiger Tag für alle Deutschen, auch für die in der Bundesrepublik Deutschland, wenngleich die existenzielle Bedeutung natürlich für Sie – für die Russlanddeutschen – größer als für alle anderen ist.

Und so finden nicht nur hier Gedenkveranstaltungen statt, sondern auch in Deutschland. Vorgestern hat in Stuttgart die große Gedenkveranstaltung der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland stattgefunden, und die Festrede hat unser Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble gehalten. Gestern gab es in Berlin eine Gedenkveranstaltung an einem zentralen Standort – im Kronprinzenpalais –, wo gerade eine Ausstellung über Flucht und Vertreibung stattfindet und wo auch das Schicksal der Deutschen aus Russland dokumentiert wird. Es gibt noch viele kleinere Veranstaltungen. Ich will nur erwähnen, dass in meiner Heimatstadt - in Halle - in der großen Stadtkirche ein Gottesdienst ebenfalls dieses Ereignisses gedacht hat und dass eine Gruppe von Deutschen aus Russland dazu Lieder aus der Heimat gesungen hat.

Dieses Gedenken ist also eingebettet in unsere gemeinsame tragische Geschichte, aber für uns als Deutsche in Deutschland auch verbunden mit eigener nationaler Verantwortung. Es war Hitler, der mit Nazi-Deutschland die Sowjetunion überfiel; und es war Stalin, der an unschuldigen Menschen, nur weil sie Deutsche waren, für diesen Überfall Rache übte. Dies ist die geschichtliche Situation, kurz beschrieben. Wir tragen als Deutsche für diese Ereignisse eine besondere Verantwortung, und wir wollen uns dieser Verantwortung stellen. Die Deutschen aus Russland sind zum Opfer der beiden großen Diktaturen des letzten Jahrhunderts geworden - Hitler und Stalin.

Wir können die Untaten dieser Diktaturen nicht ungeschehen machen, aber wir können dafür eintreten, dass die Folgen dieser schrecklichen Politik für die nächsten Generationen möglichst überwunden werden können. Und deshalb hat die Politik der Bundesregierung immer in der Bewältigung der Kriegsfolgen und der Diktaturen zwei Richtungen verfolgt. Sie hat sich zum einen für die Aussöhnung mit den Völkern eingesetzt, die von Deutschland überfallen wurden, und sie hat sich zum anderen für die Deutschen eingesetzt, die ebenfalls unter diesem Handeln besonders gelitten und eine besonders schwere Last zu tragen hatten. Und deshalb können Sie davon ausgehen, dass wir auch in der Zukunft versuchen wollen, mit unseren Möglichkeiten die Deutschen in Russland zu unterstützen, dass sie hier eine Lebensperspektive für die nächsten Generationen entwickeln können und dass sie möglichst viel von der eigenen Identität bewahren können.

Wir wollen, dass die letzten unmenschlichen Diktaturen des vergangenen Jahrhunderts nicht das letzte Wort behalten in der Geschichte. Und deshalb lassen Sie uns gemeinsam dafür eintreten, dass den Deutschen hier – den Russlanddeutschen – eine Perspektive gegeben wird und dass wir mit den Möglichkeiten, die wir haben, versuchen, auch die Identität unserer Landsleute hier als eine Nationalität in Russland, in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion in der alten Tradition derjenigen fortzuführen, die einmal gekommen sind und beim Aufbau dieses Staates und beim Aufbau dieser Gesellschaft viel geholfen und viel Unterstützung gegeben haben. Setzen wir also gemeinsam nicht im Vergessen, sondern im Erinnern an die schrecklichen Ereignisse, die vor 65 Jahren begannen, darauf, dass wir gemeinsam an einer besseren Zukunft arbeiten. In diesem Sinne teile ich die Trauer und das Gedenken, das Sie an dem heutigen Tag bewegt und wünsche Ihnen für die Zukunft alles Gute und Gottes Segen. (© ORNIS/Aufnahme: Tatjana Filistowitsch, 29. August 2006)

Audiobeitrag zum Thema
Auszug aus der Rede des Aussiedlerbeauftragten (Tondokument [mp3], 3:17 Min/1.88 MB)


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