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“Wir fühlen uns angegriffen”

Spätaussiedler wehren sich gegen vermeintliche Pauschalkritik
“Wir fühlen uns angegriffen”

Dingolfing (ORNIS) - Ärger im bayerischen Dingolfing. Landrat Heinrich Trapp hatte kürzlich behauptet, Aussiedlern in seinem Landkreis fehle der Wille zur Integration. Jetzt bemühte sich der Politiker um Ausgleich und lud zum Gespräch ein.

Gerade 30 jugendliche und erwachsene Russlanddeutsche waren in den  großen Sitzungssaal des Landratsamtes gekommen. Im Landkreis Dingolfing leben rund 4000 Aussiedler, und Heinrich Trapp eröffnete die Aussprache damit, dass die Mehrheit von ihnen sich durchaus gut integriert habe. In einem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung hatte Trapp Ende April gesagt, im Dingolfinger Stadtteil Höll-Ost seien Aussiedler weitgehend unter sich, da die Einheimischen das Problemgebiet verlassen hätten. Seine Schlussfolgerung damals: „Integration findet nicht statt.“ Resigniert stellte er zudem fest: „Ist auch gar nicht nötig, die kommen in ihrer Muttersprache genauso weiter.“

Die Äußerungen des sozialdemokratischen Politikers hatten unter den Aussiedlern für helle Aufregung gesorgt. Jugendliche Russlanddeutsche hatten vor Ort 270 Protestunterschriften gesammelt. In einem Begleitschreiben gaben sie ihrer Aktion noch eine parteipolitische Note, indem sie ihre Nähe zur christdemokratischen Jugendorganisation ‚Junge Union’ unterstrichen. Der Landrat war sichtlich bemüht, die Wogen zu glätten. Der Zeitungsartikel habe ihn einseitig und zugespitzt wiedergegeben, die von ihm erwähnten Beispiele für gelungene Integration seien unter den Tisch gefallen, betonte Trapp auf dem Podiumsgespräch wieder und wieder.

Andererseits blieb er bei seiner Feststellung: Drogensucht, Jugendkriminalität, Desinteresse der Eltern bei Schulproblemen der Kinder, mangelnde Deutschkenntnisse und Cliquenbildung hielten etwa ein Viertel der in Dingolfing lebenden Aussiedler davon ab, sich in den hiesigen Alltag verantwortungsvoll zu integrieren. Seine Gesprächspartner im Landratsamt ließen indes nicht locker und fühlten sich „an den Pranger gestellt“, wie eine Teilnehmerin formulierte. „Mit dem Artikel haben Sie viele Russlanddeutsche verletzt. Wir fühlen uns sehr angegriffen“, kritisierte die 19-jährige Krankenschwester Irene Gerber und konnte sich der Zustimmung der Versammelten sicher sein.

Landrat Trapp indes blieb bei seinem Vorwurf, dass sich ein Teil der Aussiedler durch Integrationsverweigerung selbst behindere. „Sehen Sie denn nicht, dass Hunderte Ihrer Landsleute bei uns überhaupt keine Chance mehr haben, weil sie kriminell oder drogensüchtig sind?“ Eine Diskussion darüber kam allerdings nicht zustande. Auf eines aber hat sich die Runde am Ende doch einigen können: Es war gut, einmal miteinander geredet zu haben. Weitere Gespräche sollen folgen. (© ORNIS/bg, 10. Juni 2006)

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