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Trotz Totschlags: Anerkennung als Spätaussiedler

Bundesverwaltungsgericht hebt Ablehnung auf
Trotz Totschlags: Anerkennung als Spätaussiedler

Berlin (ORNIS - Fast sechs Jahre hat der Rechtsstreit gedauert. Jetzt hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden: Ein 34-jähriger Mann in Süddeutschland muss als Spätaussiedler anerkannt werden, obwohl er in Russland schwere Straftaten begangen und mehrere Jahre im Gefängnis gesessen hat. In einem früheren Verfahren war dem Mann die Anerkennung versagt worden, weil er „gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtstaatlichkeit verstoßen“ habe. So sieht es das Bundesvertriebenengesetz vor.

Der Kläger hatte gemeinsam mit seiner Mutter 1992 die Aufnahme als Spätaussiedler beantragt. Zu diesem Zeitpunkt verbüßte er in seiner russischen Heimat eine mehrjährige Gefängnisstrafe. Im Januar 1990 war er wegen Autodiebstahls zu drei Jahren hinter Gittern verurteilt worden. Ein Jahr später sprach ihn ein Gericht schuldig, in der Haft gemeinsam mit einem Mitgefangenen einen Menschen umgebracht zu haben. Beide Urteile wurden zu einer Gesamtstrafe von zehn Jahren zusammengefasst. Während der Sohn im Gefängnis saß, reiste die Mutter 1996 aus und ließ sich in der Nähe von München nieder.

Unterdessen hatte das in Köln ansässige Bundesverwaltungsamt (BVA) den Antrag des Mannes, aus eigenem Recht als Spätaussiedler anerkannt zu werden, abgelehnt. In den Aufnahmebescheid, mit dem die Mutter nach Deutschland einreiste, wurde der Sohn allerdings als ‚Abkömmling’ eingetragen und hatte damit die Möglichkeit einer erleichterten Einreise. Später erklärte das BVA, hätte man von der Verurteilung wegen Mordes gewusst, wäre der junge Mann nicht in den Aufnahmebescheid der Mutter aufgenommen worden.

Im Januar 2000 endete die Haft vorzeitig. Im Gefängnis war der Mann an Tuberkulose erkrankt, und ein lokales Gericht verfügte seine Freilassung. Vier Monate später kam der Ex-Häftling mit einem Besuchervisum nach Deutschland und beantragte, nun auch formal als Abkömmling einer Spätaussiedlerin anerkannt zu werden. Zu seinen frühere Taten nahm er ebenfalls Stellung, bedauerte die Diebstahlserie und bezeichnete den Totschlag des Mithäftlings als Notwehr. Die Behörden verwehrten ihm allerdings die Anerkennung und führten zur weiteren Begründung aus, der junge Mann kenne nur wenige Worte in der deutschen Sprache. Der Hauptgrund lautete allerdings, mit dem Mord habe er gegen die Grundsätze der Menschlichkeit verstoßen, das schließe eine Aufnahme in Deutschland aus.

Nun begann der Weg durch die Instanzen mit unterschiedlichen Entscheidungen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof stützte schließlich im vergangenen Jahr die Absage an den Sohn der Russlanddeutschen, räumte jedoch die Möglichkeit zur Revision ein. Der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hob nun das jüngste Urteil auf und gestand dem Mann die künftige Anerkennung als Spätaussiedler zu. Zur Begründung hieß es, der Passus des Bundesvertriebenengesetzes (Verletzung der Rechtstaatlichkeit) treffe in diesem Fall nicht zu. Das in Russland begangene Verbrechen des Mannes sei eine „dem allgemeinen Kriminalrecht zuzuordnende Straftat“ gewesen. Der Grundsatz der Menschlichkeit und der Rechtstaatlichkeit richte sich an staatliche Stellen, die für die Gestaltung der Rechts- und Verfassungsordnung zuständig sind, und nicht an eine Einzelperson. (© ORNIS, 1. Juni 2006)

 
Links zum Thema
- Bundesverwaltungsgericht
- Aufgaben des Bundesverwaltungsgerichts

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