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„Die Heimat existiert heute nicht mehr“

Seit zehn Jahren lebt Familie Neumann in Deutschland
„Die Heimat existiert heute nicht mehr“ "Wir sind gegangen, weil alle gegangen sind". Familie Neumann in Papenburg: Anastasia, Galina, Alexander, Ines (v.l.n.r.)
Foto: privat

Papenburg (ORNIS) - Spektakulär ist die Geschichte der Familie Neumann nicht. Tausende russlanddeutsche Aussiedler haben ihre Anfangszeit in Deutschland so oder ähnlich erlebt. Und gerade deshalb ist sie erzählenswert: Die überwiegende Mehrheit deutschstämmiger Zuwanderer aus Russland, Kasachstan und anderen Ländern der Ex-Sowjetunion hat den Weg in die deutsche Gesellschaft gefunden und sich in ihr eingerichtet. Daran sollte zuweilen erinnert werden, wenn Aussiedler in die Schlagzeilen geraten. Diana Püplichhuysen hat mit Familie Neumann gesprochen.

Spricht man Alexander Neumann auf den Deutschen Nationalen Landkreis Asowo an, weckt das Erinnerungen an Westsibirien. „Ich stamme aus Koschkarjowo, einem deutschen Dorf dort mit 50 Häusern“, berichtet der 46-jährige Russlanddeutsche. Heute lebt er mit Frau und Töchtern im niedersächsischen Papenburg. 1995 war die Familie ausgesiedelt. „Nach Deutschland sind wir gegangen, weil alle losgezogen sind - wegen der Aufbruchsstimmung sozusagen“, meint Alexander Neumann rückblickend. Man wollte nicht allein zurückbleiben.

Die Erwartungen an die neue Heimat waren damals bescheiden. Das Leben in der ehemaligen Sowjetunion habe sie ohnehin ziemlich abgehärtet. Umso zufriedener denken sie heute an die Anfangszeit in Deutschland zurück, auch an die unerwartete Hilfe durch die  Behörden. Das waren sie aus  Russland nicht gewohnt. „Deutschland unterstützt seine Landleute aus Russland gut“, sagt Alexander. Besondere Aufmerksamkeit der Einheimischen habe es allerdings nicht gegeben. Dafür hat der Familienvater Verständnis: „Die Leute haben einfach ihr Leben weiter gelebt.“

Der Anfang war schwer. Ein Verwandter der Familie lebte bereits in Papenburg, und so entschloss man sich, ebenfalls hierher  zu ziehen. „Mein Onkel hatte zuvor schon unsere Einreisepapiere nach Deutschland mitgenommen“, berichtet Alexander Neumann. Anfangs war es für ihn nicht leicht, eine Arbeitsstelle zu finden. Die Stadt half mit einer befristeten Stelle für ein Jahr, dann musste er sich erneut auf die Suche machen. Heute hat er eine feste Arbeitsstelle als Kfz-Mechaniker.

Für die beiden Töchter Ines und Anastasia hieß es ebenfalls, sich in neuer  Umgebung zurechtzufinden, Freunde zu finden und vor allem deutsch zu lernen. Anastasia kam damals gerade in die erste Klasse und hatte es daher leichter, deutsch zu lernen und in der Schule Anschluss zu finden. „Für mich war es etwas schwieriger, da ich mit wenig Deutschkenntnissen die achte Klasse beginnen musste“, berichtet Ines. Heute studiert sie an der Universität Münster Geschichte und Spanisch.

Wenn man Alexander Neumann, seiner Frau Galina, Ines und Anastasia zuhört, hat man keine Zweifel, dass sie sich in Deutschland gut eingelebt haben. „Wir führen ein angenehmes Leben, lernen, studieren und genießen. Wir alle denken, das es der richtige Schritt war“, bestätigt Alexander Neumann. Dennoch: Zuweilen schleiche sich auch Heimweh ein - nach Russland, nach Asowo, nach Koschkarjowo. „Mein Heimatdorf ist mir als die heile Welt der Kindheit in Erinnerung geblieben“.

Doch auch dort wird die Zeit nicht stehen geblieben sein: „Die Heimat, wie wir sie kannten, existiert heute nicht mehr“, schließt er, und ein bisschen Wehmut ist in diesen Worten nicht zu überhören. In Deutschland war es für das Ehepaar nicht leicht, wirkliche Freunde zu finden. „Wir haben eher deutsche Bekannte als Freunde. Unsere russischen Freunde, die auch ausgewandert sind, sind leider über das ganze Land verstreut. Ab einem bestimmten Alter ist es schwer, neue Freundschaften zu schließen“, berichten sie. Für die Kinder sei das viel leichter gewesen. „Doch es geht es uns gut, wir fühlen uns zu Hause.“  (© ORNIS/Diana Püplichhuysen, 14. März 2006)


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