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Die deutsche Himmelsrichtung

Kaliningrad weckt bei jungen Leuten trügerische Hoffnungen
Die deutsche Himmelsrichtung Angler am Fluss Pregel
Foto: Stefan Bruder

Uljanowsk (ORNIS) - Für viele Menschen in Russland besitzt Kaliningrad offenbar eine bemerkenswerte Anziehungskraft. Russlanddeutsche sind davon nicht ausgenommen. Für sie kommt noch hinzu, dass es von hier aus nur ein Katzensprung ist, um einen Verwandtenbesuch in Deutschland zu machen. Häufig ist es auch nur die Unzufriedenheit mit dem Alltag in der russischen Provinz, die den westlichen Vorposten Russlands erstrebenswert macht.

Marina Wagner studiert im zehnten Semester an der Staatsuniversität der Wolgastadt Uljanowsk Sprachen und interkulturelle Kommunikation. Die 22-Jährige steht kurz vor dem Abschluss und denkt darüber nach, was sie mit ihrem Diplom als ‚Sprachmittlerin’ einmal beruflich anfangen kann. Für sie ist klar, dass sie nicht länger in Uljanowsk bleiben wird, und sie sagt, so wie sie dächten die meisten ihrer Freundinnen. Nur weg von hier – dorthin, wo das Leben leichter, die beruflichen Aussichten besser und die ausgesiedelten Verwandten näher sind. Die junge Russlanddeutsche will nach Kaliningrad.

„Für mich persönlich und andere Russlanddeutsche ist natürlich die deutsche Himmelsrichtung das Wichtigste“, sagt Marina. Einmal in Kaliningrad wird es leicht und erschwinglich sein, nach Deutschland zu reisen, meint sie und will davon gehört haben, dass es für Russlanddeutsche in der Pregelstadt gar Gelegenheit gibt, kostenlos eine Reise nach Deutschland zu unternehmen. Schon jetzt gebe es für die Bewohner Pässe mit biometrischen Daten des Besitzers, wie sie auch für die Länder der Europäischen Union im Gespräch sind. Nicht immer sind die Kenntnisse von der russischen Enklave im Westen auf dem neuesten Stand.

„Tante Tanja lebt in Kaliningrad, Tante Galja in der Siedlung Majskoje und wieder andere Verwandet in Gwardejskoje“, sagt Marina und fügt hinzu: „Allen dort, ob in der Stadt oder auf dem Land, geht es besser als uns hier in Lenins Heimat.“ Irgendwoher hat die junge Frau zudem gehört, dass deutsch-russische Unternehmen in Kaliningrad angeblich Löhne bezahlen wie in Deutschland. Und so kommt sie unbeirrt zu dem Schluss: „Es ist mir im Prinzip egal, was ich in Kaliningrad tun werde. Das Beste wäre natürlich, wenn es eine Arbeit wäre, die auch Reisen nach Deutschland vorsieht.“

Spricht man in Kaliningrad mit Vertretern von Behörden oder sozialen Organisationen, dann hört man manche Geschichte von Zuwanderern, die mit großen Hoffnungen begann und in ebenso großer Ernüchterung endete. Die Internetzeitung „Kaliningrad Aktuell“ berichtete kürzlich, das Gebiet wolle in den nächsten Jahren eine Million Zuwanderer aufnehmen, mit offenen Armen werde jedoch kaum jemand empfangen. Zwar ist es für Menschen aus den früheren Sowjetrepubliken besonders schwer, eine Aufenthaltsgenehmigung und später die russische Staatsbürgerschaft zu bekommen, aber auch für die Russlanddeutschen aus Sibirien oder der Wolgaregion ist der Umzug nach Kaliningrad nicht einfach. Vor zehn Jahren lebten offiziell 5.200 Menschen russlanddeutscher Herkunft im Gebiet, eine Zahl, die heute immer noch genannt wird. Nur die wenigsten werden offiziell als Zuwanderer anerkannt, weil damit staatlich garantierte Leistungen verbunden sind, die die Behörden lieber einsparen. (© ORNIS/lt, 22. Februar 2006)


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