ORNIS-PRESS
ORNIS-PRESS
ORNIS-RSSORNIS-RSS|ORNIS InfoBriefORNIS InfoBrief|  

Sie sind hier: Startseite ›› Archiv ›› Publikationen

Schrift: kleiner | normal | größer

… aber oft fällt das Wort "Heimweh"

Pastor Casper und seine deutsche Gemeinde in Omsk
… aber oft fällt das Wort "Heimweh" Thomas Casper ist inzwischen wieder in Deutschland tätig
Foto: Leonid Rabtschuk

Omsk (ORNIS) - Mit 14 Jahren stand sein Berufswunsch bereits fest: Pfarrer. Allerdings absolvierte der vor 37 Jahren im norddeutschen Bremervörde geborene Thomas Casper zunächst ein Chemie-Studium an der Universität Bonn, bevor er sich in Leipzig der Theologie zuwandte. Nach dem Studium entschloss sich Casper, ein Angebot der Hannoverschen Landeskirche anzunehmen und seine erste Pfarrstelle in Sibirien anzutreten. Mit seiner Frau Konstanza und den beiden Kindern Lucas und Katarina kam der Geistliche im September 2000 nach Omsk und übernahm die evangelischlutherische Gemeinde, der vor allem Russlanddeutsche angehören. Zur Jahresmitte 2002 kehrte Casper nach Deutschland zurück:

Frage: Wie groß ist die lutherische Kirchengemeinde von Omsk und wie viele Jugendliche sind darunter?

Antwort: Es gibt rund 580 Mitglieder. Genau weiß das niemand, weil wir zum Beispiel nicht erfahren, wenn Gläubige in die Bundesrepublik aussiedeln oder überhaupt an einen anderen Ort ziehen. Wir können nur die Gläubigen zählen, die zum Gottesdienst oder anderen Veranstaltungen der Gemeinde erscheinen. Darunter sind selbstverständlich auch Jugendliche, die zum Beispiel unsere Sonntagsschule besuchen oder Angebote der kirchlichen Jugendarbeit wahrnehmen. Einige von ihnen stammen aus gläubigen Familien, andere kommen zu uns, weil sie sich von unseren Aktivitäten angezogen fühlen.

Frage: Gibt es Unterschiede im Gemeindeleben, verglichen mit Deutschland?

Antwort: Es gibt erhebliche Unterschiede. Hier in Omsk wurde der Gottesdienst noch so gefeiert, wie es die Tradition der ehemaligen Brüdergemeinden vorsah, und mit wolgadeutschen Liedern, die mir unbekannt waren. In Zeiten, als die meisten evangelisch-lutherischen Gemeinden ohne Pastor auskommen mussten, gab es viele Laienprediger, die sich im Laufe der Jahrzehnte ein wenig von der ursprünglichen Aussage der Heiligen Schrift entfernt hatten.

Es war gar nicht so leicht, den Gottesdienst schrittweise zu modernisieren, weil die Gläubigen sehr an den gewohnten Riten hängen, die ja auch ein Teil ihrer deutschen Identität ausmachten. Neu war für mich auch die Einstellung zur Taufe. Viele Gläubige legen großen Wert darauf, ihre Kinder taufen zu lassen. Das bedeutet aber nicht, dass sie sich damit auch wirklich in das Gemeindeleben eingebunden fühlen. Die getauften Kinder erfahren nicht unbedingt eine kirchliche Erziehung, und wie die Eltern besuchen sie eher selten den sonntäglichen Gottesdienst. Aufgefallen ist mir auch, dass die Zugehörigkeit zur evangelisch-lutherischen Kirche vielfach als Beleg für eine russlanddeutsche Identität gilt. Manchmal hatte ich den Eindruck, dass sich Menschen taufen ließen, um mit Hilfe der Taufurkunde ihre russlanddeutsche Herkunft unter Beweis zu stellen.

Frage: Wie sehen die russlanddeutschen Gemeindemitglieder ihre Zukunft?

Antwort: Einige sagen: Hier ist meine Heimat, hier liegen meine Eltern begraben, ich bleibe. Andere wiederum möchten unbedingt nach Deutschland gehen, wenn auch aus ganz unterschiedlichen Gründen. Im Mittelpunkt ihrer Überlegungen stehen die Kinder, deren Zukunft häufig nur in der Bundesrepublik gesehen wird. Andere wollen aussiedeln, weil der größte Teil der Familie schon weg ist und sie nicht alleine zurück bleiben möchten. Häufig habe ich erlebt, dass ältere Menschen kurz vor ihrer Ausreise sterben und große Familienverbände zurück lassen, die mit ihnen aussiedeln wollten. Durch den Tod des Antragstellers ist ihnen das nun nicht mehr möglich. Das hat schon viel Verzweiflung verursacht.

Frage: Welches Bild machen sich die Ausreisewilligen von Deutschland?

Antwort: Kein klares natürlich. Vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Probleme sehnen sie sich nach einem besseren Leben. Sie wissen oft, was in den Schaufenstern deutscher Geschäfte ausliegt, aber die Schattenseiten kennen sie nicht. Für die meisten Älteren ist es aber so, dass sie weniger die Hoffnung auf materielle Verbesserung lockt als die Sehnsucht nach der Heimat ihrer Sprache und Kultur. Aber auch sie können sich die Wirklichkeit in Deutschland kaum vorstellen. Einige Aussiedler sind mittlerweile wieder nach Omsk zurückgekehrt. Sie sagen meist nicht warum, aber oft fällt das Wort "Heimweh".


Nach oben
Artikel bookmarken:
Diese Seite zu Mister Wong hinzufügen My Yahoo