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„…. damit die Leute wieder in die Kirche gehen“

Bischof Ratz will Evangelische Kirche in Russland stärker verankern
„…. damit die Leute wieder in die Kirche gehen“ Dr. Edmund Ratz, Erzbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Russland und der GUS
Foto: ELKRAS

St. Petersburg (ORNIS) - Seit knapp drei Monaten ist der aus Bayern stammende Theologe Dr. Edmund Ratz Erzbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Russland und den GUS-Staaten (ELKRAS). Der 72-Jährige tritt kein leichtes Erbe an: Durch die Auswanderung eines Teils der russlanddeutschen Bevölkerung hat sich die Zahl der Mitglieder seit Ende der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts drastisch verringert. Die rund 450 Gemeinden in der früheren Sowjetunion sind vornehmlich deutschen Ursprungs. Bischof Ratz stand vor seiner Wahl in sein neues Amt sechs Jahre lang an der Spitze der Evangelischen Kirche in der Ukraine. Mit ihm sprach Anna Litvinenko

Herr Ratz, wo liegen die Hauptprobleme der Lutherischen Kirche in Russland?

Wir haben in Russland ja eine lange Geschichte. Vor der Revolution spielte die Lutherische Kirche in Russland mit etwa drei Millionen Mitgliedern eine große Rolle. Während der sowjetischen Zeit ist sie aber praktisch ausgelöscht worden: Viele Pastoren wurden erschossen und Gemeindemitglieder deportiert. Nach der Perestrojka fing es wieder an, aber natürlich nicht in dem Umfang wie damals. Jetzt haben wir vielleicht 20.000 eingetragene Gemeindemitglieder. Wir sind zu einer städtischen Kirche geworden.

In den alten Zeiten war die evangelische Religion in vielen russlanddeutschen Dörfern verbreitet, vor allem an der Wolga.
Heute sind deren Nachfahren in die Städte gezogen oder ausgewandert. Das bedeutet, die Lutherische Kirche muss in den Gemeinden ein interessantes Programm anbieten, damit die Leute wieder in die Kirche gehen.

Und es gibt noch ein anderes großes Problem: In der kommunistischen Zeit sind viele Russen areligiös geworden. Man hat sich daran gewöhnt, dass es ohne Religion geht. Ob es besser geht – da haben wir unsere Zweifel. Wir glauben, mit Religion ist das Leben besser. Aber das muss jeder wieder für sich entdecken.

Welchen Platz nimmt die Lutherische Kirche heute in Russland ein?

In Russland ist es nicht so wie in der Ukraine, dort sind die Kirchen eher gleichberechtigt. Das hat damit zu tun, dass es in der Ukraine drei orthodoxe Kirchen gibt: das Moskauer Patriarchat, das Kiewer Patriarchat und die autokephalen Kirchen. In Russland wird die orthodoxe Kirche vom Moskauer Patriarchat vertreten, das den ersten Platz im religiösen Leben des Landes beansprucht. Bei unserem Treffen im November hat Metropolit Kyrill gesagt, die Lutherische Kirche sei nach der orthodoxen die wichtigste in Russland. Aber was diese Abstufung für ihn bedeutet, müsste man nachfragen. Heißt es, dass wir gleichberechtigt sind? Wahrscheinlich nicht. Aber auch nicht, dass wir schlecht da stehen.

Meine Aufgabe sehe ich darin, unseren Platz in Russland und in den GUS-Staaten noch genauer zu bestimmen und auch zu sehen, inwieweit wir in der russischen Gesellschaft besser verankert sein können. Wir wollen nicht eine deutsche Kirche in Russland sein, sondern eine lutherische Kirche.

Sie werden in den nächsten Jahren in Russland leben. Welchen  Bezug haben Sie zu diesem Land? 

Von Kind auf habe ich Tolstoi, Dostojewski und Turgenjew gelesen. Während der vergangenen sechs Jahre in Odessa habe ich mehr Berührungen mit der russischen Kultur gehabt, auch war ich oft in der Oper. Ich will mich jetzt noch intensiver damit auseinander setzten. Mein Russisch ist leider noch nicht gut genug, um zum Beispiel das russische Theater zu verstehen.

St. Petersburg kenne ich noch von früher. In den letzten Jahren ist es eine strahlende Stadt geworden, man sieht viel Glanz. Und ich sehe Hoffnung in den Leuten. Ich habe hier sehr viele freundliche Menschen kennen gelernt. Ich denke, Höflichkeit und Freundlichkeit gehören zur russischen Kultur, so dass ich mich hier sicher sehr wohl fühlen werde.  (© ORNIS,  16. Dezember 2005)

 
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