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„Trauerbuch Odessa“

Eine Publikation setzt den Opfern ein Denkmal
„Trauerbuch Odessa“

Nürnberg (ORNIS) - Der Untertitel lautet „Stalins Staatsterror an den Deutschen in den Gebieten von Odessa und Nikolajew/Ukraine 1928 bis 1953“. Akribisch haben drei Geschichtsforscher viele Jahre lang Materialien gesichtet und ausgewertet. Doch erst mit der Öffnung der Archive in der Ukraine war es möglich, eine verlässliche Bilanz der Ereignisse zu erstellen. Die Publikation ist eine Arbeit des ‚Historischen Forschungsvereins der Deutschen aus Russland’.

Der Buchtitel „Trauerbuch Odessa“ lässt erahnen, dass hier die unter dem Sowjetregime begangenen Untaten, besonders in den dreißiger Jahren, in diesen Gebieten nicht nur beschrieben, sondern auch mit Zahlen und Tabellen belegt und bewiesen werden. Es ist ein Werk entstanden, das in dieser Art seinesgleichen sucht. Es wurden die Schicksals- und Todesdaten von 8.750 Personen aus fast 50 Dörfern im Gebiet Odessa erforscht.

Das hierfür zu erforschende Material erforderte die Verarbeitung der astronomisch anmutenden Zahl von rund 280.000 Archivdaten. Dieses Resultat ist so umfassend und aufschlussreich, dass daraus eine der ausführlichsten Namenslisten der Opfer des stalinistischen Terrors entstanden ist.

Drei Forscher haben das Material für dieses Werk im Laufe von zwölf Jahren zusammengetragen, erforscht und verarbeitet: Anton Bosch als Hauptautor und Herausgeber des Gesamtwerkes, Anton Bertsch, der seine eigenen Forschungsergebnisse einbrachte, und Michael Wanner, der die Gebiete Beresan und Nikolajew erforschte.

Es begann mit Chruschtschows zögerlichem ‚Tauwetter’ im Jahre 1956, als dieser mit seinen „Enthüllungen“ durch einen winzig kleinen Spalt Licht in das Dunkel der stalinistischen Vergangenheit brachte. Er gab nur Informationen über die Säuberungen innerhalb der Partei preis, verschwieg jedoch geflissentlich die Millionen Opfer des Systems, dem auch er gedient hatte. Solschenizyn war der Erste, der die Mauer dieses Schweigens durchbrach und die Weltöffentlichkeit aufrüttelte. Er wurde nicht mehr erschossen, aber verfolgt und ausgewiesen.

In den Jahren danach keimte bei diesen drei Forschern bereits der Wunsch, sich ebenfalls diesem Thema zu widmen. Es verging noch eine lange Zeit, bis unter Gorbatschows Perestroika die ersten zaghaften Versuche möglich waren, das Schicksal von ‚verschwundenen’ Familienangehörigen bei den Behörden zu erfahren.

Diese Auskünfte waren jedoch sehr dürftig und fast immer gefälscht. Dies zeigte sich nach dem Untergang des Sowjetsystems und der Auflösung der Sowjetunion. Nun hatten die betroffenen Familien die Möglichkeit, von den Behörden auf ihre Nachfrage hin detaillierte und endlich wahrheitsgemäße Auskünfte über den Verbleib, das Schicksal und die Todesursache (meist durch Erschießen) zu erhalten.

Darauf aufbauend begannen die drei Autoren mit ihren Forschungen auf dem Gebiet der Massenrepressalien. Mit der Gründung des „Historischen Forschungsvereins der Deutschen aus Russland“, an der sie maßgeblich beteiligt waren, konnten die Studien zu diesem Thema koordiniert werden, deren Ergebnisse nun in diesem Buch vorliegen.

Den drei Autoren ist es gelungen, mit diesem Werk nicht nur mit Tabellen, sondern auch mit ausführlichem Text zu jedem einzelnen Dorf in den beschriebenen Regionen und im Anhang mit den Daten von fast 9000 erfassten Opfern, deren Zahl vermutlich weit höher liegt, diesen Menschen ein Denkmal zu setzen. Für die betroffenen Familien ist es eine schmerzliche Erinnerung, für ihre Nachkommen soll es eine Mahnung sein, damit sich solches nie wiederholt. (© ORNIS/VadW/Gerhard Walter, 2. Dezember 2006)

 
Links zum Thema
- Historischer Forschungsverein der Deutschen aus Russland

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