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Staatsfeindlich: Forschung zu russlanddeutschen Schicksalen

Historiker in Archangelsk in Bedrängnis
Staatsfeindlich: Forschung zu russlanddeutschen Schicksalen Pomorische Staats-universität Archangelsk

Der russische Historiker Michail Suprun ist in Archangelsk kurzfristig verhaftet und verhört worden. Anlass waren offenbar seine Forschungen zum Schicksal von Russlanddeutschen in den 1940er Jahren. Die Beschuldigung lautet: Sammlung und Weitergabe von Archivmaterial. An seinem Geschichtsprojekt ist auch das Deutsche Rote Kreuz beteiligt.

Archangelsk, im Oktober 2009 – Michail Suprun, Leiter des Lehrstuhls für russische Geschichte an der Pomorischen Lomonossow-Universität Archangelsk, wird beschuldigt, personenbezogene Daten gesammelt und weitergegeben zu haben. Außerdem soll er einen Oberst aus der Verwaltung für innere Angelegenheiten des Gebiets Archangelsk zum Amtsmissbrauch angestiftet haben. Seine Verteidigung werden voraussichtlich Anwälte der St. Petersburger Organisation ‚Memorial‘ übernehmen.

Memorial
Die Menschenrechtsorganisation Memorial ist 1988 von dem Regimekritiker Andrej Sacharow gegründet worden. Sie widmet sich der historischen Aufarbeitung politischer Gewaltherrschaft und der sozialen Fürsorge für die Überlebenden sowjetischer Gefangenenlager.

Was war geschehen? Michail Suprun arbeitete zusammen mit Oberst Alexander Dudarjew an dem Projekt ‚Von den Repressionen der 1940er Jahre betroffene Russlanddeutsche‘. Das Interessante daran ist, dass dieses Projekt zur Untersuchung der Geschichte der Russlanddeutschen auf einem Vertrag beruht, der vom Präsidenten des Deutschen Roten Kreuzes, vom Leiter der Verwaltung für innere Angelegenheiten des Gebiets Archangelsk und vom Rektor der Universität unterzeichnet wurde. […]

Im September wurden Suprun, eine Doktorandin sowie Alexander Dudarjew unter dem Verdacht verhaftet, „Informationen mit geheimen und persönlichen Daten gesammelt und verbreitet zu haben“. Mitarbeiter des russischen Sicherheitsdienstes FSB  durchsuchten die Wohnungen und Arbeitsplätze der Festgenommenen. Das gesamte Archiv des Wissenschaftlers, sämtliche Computer und Datenträger sowie ein Teil der Archivunterlagen, darunter auch Dokumente zur russischen Geschichte, die Suprun 1999 aus Archiven der USA und aus Europa mitgebracht hatte, wurden beschlagnahmt, teilte die Nachrichtenagentur newsru.com mit.

wurde am 30. September verhaftet: Michail Suprun

Suprun wandte sich unterdessen an ‚Memorial‘ und bat um Unterstützung, weil der von staatlicher Seite gestellte Pflichtverteidiger auf Schwerverbrechen spezialisiert sei, jedoch keinerlei Erfahrungen mit gesellschaftspolitischen Verfahren habe.

Anlass für den Wechsel des Verteidigers war auch, dass Suprun im Verhör mitgeteilt wurde, es gehe nicht allein um Datenmissbrauch, sondern auch um Anstiftung einer Amtsperson zu einer Straftat. Suprun vermutet nun, dass auch Dudarjew von der Verwaltung Innere Angelegenheiten betroffen ist. Derzeit sind die Vernehmungen ausgesetzt. Suprun teilte mit, man prüfe, ob eventuell das Deutsche Rote Kreuz die Anwaltskosten übernehmen könne.

Die Leiterin von ‚Memorial‘ in St. Petersburg, Irina Fliege, bestätigte die Beteiligung ihrer Organisation. Man werde Michail Suprun nach Kräften  unterstützen und Kontakte zu Fachleuten vermitteln.

‚Memorial‘ hat unterdessen Anwälte kontaktiert, darunter auch Iwan Pawlow aus St. Petersburg, der sich in der Vergangenheit mit aufsehenerregenden Prozessen einen Namen machte. 1999 hatte er Alexander Nikitin verteidigt und einen Freispruch erwirkt. Dem ehemaligen Marineoffizier war Spionage unterstellt worden, weil er mit der norwegischen Umweltschutzorganisation Bellona über Risiken und Gefahren radioaktiver Verseuchung bei der russischen Nordmeerflotte zusammengearbeitet hat.

Quelle: Специалиста по немецким военнопленным защитят питерские адвокаты,
«Spcialisty po nemeckim voennoplennym zascitjat piterskie advokaty,
http://www.fontanka.ru/ vom 30. September 2009;
Übersetzung: Norbert Krallemann
 
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Ihre Meinung

Rita Darr, 26.11.2009 20:08:28:

I would also appreciate a copy in English if possible. Many thanks, Rita Darr rmdarr@cbe.ab.ca

Joanne Herz Townsend, 25.10.2009 16:29:45:

I also do not speak German although my deceased father did. I would like a copy of this in Aleman--if this is possible! Danke Schon jetown@wildblue.net

Reuben Gums, 10.10.2009 08:48:16:

Is there an English language translation of your work or an abstract of your findings? I would greatly appreciate more information on the subject of Germans From Russia who were sent to Siberia in the early 1940s. Reuben Gums 524 Fifth Street NE Jamestown ND 58401 USA e-mail: rgums@csicable.net Telephone: 701-252-2832


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„Trauerbuch Archangelsk“

2004 wurde das grenzüberschreitende Projekt „Gedenkstätte Friedhof Archangelsk“ ins Leben gerufen. Es sollte an den Beitrag der Deutschen in der nordwestrussischen Region in der Zeit vom 16. Bis 19. Jahrhundert erinnern und den Opfern der politischen Repression im 20. Jahrhundert gewidmet sein.

Anton Bosch, damals Vorsitzender des Historischen Forschungsvereins der Deutschen aus Russland, reiste erstmals 2007 in das Archangelsker Gebiet und recherchierte in Archiven. Mit der Historischen Abteilung der Pomorischen Lomonossow-Universität Archangelsk (Professor Michail Suprun) und dem Deutschen Roten Kreuz wurde vereinbart, ein „Trauerbuch Archangelsk“ zu schreiben.

In der Region kamen auf den berüchtigten Solowki-Inseln und in anderen GULAG-Stätten Zehntausende von verbannten Russlanddeutschen sowie deutschen Kriegsgefangenen ums Leben. Die Forschungsarbeiten sollten spätestens 2012 abgeschlossen sein. (Quelle: Volk auf dem Weg)