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Per Fahrrad nach Irkutsk

Junge Deutsche erlebt sibirischen Winter
Per Fahrrad nach Irkutsk

Irkutsk (ORNIS) - Ob in Städten oder Dörfern: Frauen haben sich vielsagend an die Stirn getippt, wenn Nikola Haardt vorbeiradelte. Männer haben sie bestaunt und sich als galante Helfer erboten. Nach gut 10.000 Kilometern hatte die junge Frau aus Bochum ihr Ziel erreicht: Irkutsk am Baikalsee. Das war im August vergangenen Jahres. Demnächst will sie wieder ihr Fahrrad besteigen und nach Hause fahren.

„Wenn jemand vorhat, bald aus Deutschland nach Irkutsk zu fahren, dann könnten Sie vielleicht ein paar Bücher und CDs mitnehmen. Ich habe mich entschieden, in Sibirien zu überwintern.“ Ohne diese kurze Notiz in einem deutsch-russischen Internet-Forum wäre der Plan von Nikola Haardt wohl kaum bekannt geworden. Die Landschaftsplanerin aus dem Ruhrgebiet hatte sich vorgenommen, ausgerechnet die Wintermonate in Sibirien zu verbringen. Im Sommer besuchen häufig deutsche Touristen die Stadt am Baikalsee, dass jemand den Winter freiwillig hier verbringt, kommt seltener vor.

Als sie im März vergangenen Jahres in Bochum aufbrach, hatte sie sich gerade ein neues Fahrrad gekauft. Ein Teil ihrer Abfindung ging dabei drauf, die sie nach der Kündigung bei einer Gartenbaufirma erhalten hatte. Die 34-Jährige machte sich allein auf den Weg. Lediglich auf der Strecke von Nowosibirsk nach Krasnojarsk war ihr Freund Stefan dabei, der vier Wochen an ihrer Seite radelte und zum Urlaubsende wieder nach Deutschland flog.

Völlig sorglos hatte Nikola ihre Tour nicht angetreten, immerhin war sie zu Hause gewarnt worden, Sibirien sei ein Land von Bären und Banditen, und dass verarmte Einheimische sich gern auch an Reisenden aus dem Ausland schadlos halten. Doch dieses Bild musste die junge Deutsche bald korrigieren: Ohne die Gastfreundschaft der Menschen – vor allem in den Dörfern – wäre die Reise gewiss eintöniger geworden, und ohne ihre  Hilfsbereitschaft viel schwieriger. Natürlich gab es auch heikle Situationen, wenn etwa betrunkene junge Dörfler nicht verstehen wollten, dass ein Tag im Sattel müde macht und die Radfahrerin in ihrem Zelt am Dorfrand ein paar Stunden ausruhen wollte. Doch das war eher die Ausnahme: „Zwei, drei Mal in sechs Monaten, das ist gar nicht so viel, nicht wahr?“, meint sie rückblickend.

Kaum war sie in Irkutsk angekommen und hatte sich bei Freunden einquartiert, da wurde Nikola Haardt krank. Nichts Schlimmes, eine Erkältung, die sie auf den fehlenden Reise-Stress schiebt und darauf, dass sie sich jetzt weniger bewege. Von dem, was sich in der Zwischenzeit in Deutschland ereignete, hat sie kaum etwas erfahren. Deutsche Zeitungen sind in Irkutsk nicht zu bekommen, und wenn Nikola Haardt ins Internet-Café geht, dann zum Briefeschreiben und um Kontakt mit Freunden aufzunehmen. Inzwischen ist der Winter vorüber und auch das Visum wird demnächst abgelaufen sein. Dann wird Nikola Haardt ihr Fahrrad vom Balkon ihrer russischen Freunde holen, die Satteltaschen packen und nach Hause radeln – diesmal über Usbekistan, Kasachstan und die Ukraine. (© ORNIS/Wasilij Jaschkinas, 29. April 2006)


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