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„Immer so formuliert, dass wir keinen Ärger bekamen“

40 Jahre ‚Hermannstädter Zeitung’

Sibiu, im März 2008 - Als am 25. Februar 1968 im rumänischen Sibiu (Hermannstadt) die erste Ausgabe der deutschsprachigen „Hermannstädter Zeitung“ (HZ) herauskam, lebten rund 25000 Deutschstämmige in Hermannstadt, knapp ein Viertel der Bevölkerung im Kreis Sibiu. Heute sind es noch 2500 – ein Zehntel. Die HZ erscheint unverdrossen, finanziell unterstützt vom Minderheitenrat der rumänischen Regierung.

Von Ruxandra Stanescu*

Das Interesse an dem Blatt steigt wieder, die Auflage liegt bei rund 2000 Exemplaren. Zu den Lesern gehören auch Abonnenten im Ausland, vor allem in Deutschland – und deutschsprachige Unternehmer, die in und um Sibiu leben und arbeiten. Georg Scherer, von 1979 bis 1996 Chefredakteur der HZ, erinnert sich an die Jahre des Kommunismus unter Diktator Nicolae Ceausescu. Zuerst habe ein Zensor die Texte gegengelesen, die vom Geheimdienst Securitate erst übersetzt werden mussten, später wurde die staatliche Zensur durch Selbstzensur ersetzt. „Vor dem Erscheinen mussten wir dem Propaganda-Sekretär des Kreisparteikomitees sagen, was erscheinen wird. So war es für uns leichter, denn wir haben immer so formuliert, dass wir keinen Ärger bekamen.“

Gewisse Fehler wurden nicht toleriert: Einmal, erinnert sich Scherer, „hatten wir den Namen von Ceausescus Sohn falsch geschrieben. Ich habe es zu spät bemerkt, die ganze Ausgabe musste eingestampft und auf meine Kosten neu  gedruckt werden. Dennoch ist die Sache für uns gut ausgegangen, schließlich kamen manche Journalisten für ihre Fehler ins Gefängnis.“

Die Partei war unangreifbar – und zwar nicht nur, weil sie die Zeitung finanziell unterstützte. Für die gesamte rumänische Presse gab es Vorgaben, was geschrieben werden durfte und was nicht. So waren die Redakteure  beispielsweise verpflichtet, die vielen, seitenlangen Ansprachen von Nicolae Ceausescu ungekürzt zu drucken. „Weil wir eine Wochenzeitung waren, blieben wir davon verschont“, sagt Scherer. „Wir mussten meist nur Auszüge der Reden drucken, die bekamen wir direkt aus Bukarest übersetzt.“ Manchmal füllten aber auch diese Auszüge mehr als die Hälfte der zwölf Seiten dicken Zeitung.

Beatrice Ungar, Chefredakteurin der Hermannstädter Zeitung
Foto: Ruxandra Stanescu

Trotz Zensur versuchten die Redakteure der Hermannstädter Zeitung, das Leben der deutschen Minderheit in Rumänien so genau wie möglich darzustellen. Allerdings gehörten auch systemtypische Meldungen wie „In Kleinkopisch wurde der Schwefelsäureplan mit 1260 Tonnen überschritten“ zum Pflichtprogramm.

Unter dem Namen „Hermannstädter Zeitung“ erschienen genau 200 Ausgaben des Blattes. Ab Oktober 1971 erschien die Zeitung als ‚Die Woche’. Den Minderheiten in Rumänien war verboten worden, die Namen ihrer Ortschaften in der Öffentlichkeit zu benutzen.

Als in den 1980er Jahren der Wegzug der Siebenbürger Sachsen begann, verließen nicht nur Leser, sondern auch einige Redakteure der „Hermannstädter Zeitung“ das Land. „Wenn einer seinen Schreibtisch aufräumte und nur unwichtige Papiere da ließ, war klar, dass er am nächsten Tag nicht mehr wiederkommen würde“, sagt Scherer. Mit dem Exodus vieler Deutschstämmiger ging auch die Auflage zurück.

Nach der Revolution 1989 blieben die Subventionen, auf die das Blatt stets angewiesen, war, zunächst aus. Eine Übernahme durch die Bukarester ‚Allgemeine Zeitung’ konnte man jedoch abwenden, heute schauen die Redakteure wieder nach vorn.

* Redakteurin der Hermannstädter Zeitung

(Der Beitrag erschien am 13. März 2008 in der
Märkischen Allgemeinen, Potsdam –
Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der Redaktion)

 
Links zum Thema
- Webauftritt der Hermannstädter Zeitung
- Deutsche Minderheit in Rumänien

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