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Erst Ärztin, dann Putzfrau ...

... jetzt wieder Ärztin
Erst Ärztin, dann Putzfrau ... Foto: Andreas Labes

Der Mangel an Ärzten im Bundesland Brandenburg macht es möglich: Eine Frauenärztin aus Usbekistan kann wieder in ihrem Beruf arbeiten. Lange Zeit hatte sie von staatlicher Hilfe und Aushilfsarbeiten gelebt.

Prenzlau, im Mai 2009 - Auf dem frisch gestärkten Arztkittel steht fein säuberlich ihr Name: Zinaida Fomenko. Die 52-jährige Frau läuft durch die Flure des Kreiskrankenhauses in Prenzlau (Uckermark). Eigentlich hatte sie nicht mehr daran geglaubt, dass sie einen solchen
Kittel in ihrem neuen Leben wieder tragen darf. Sie hatte nur Absagen bekommen – immer wieder seit 2001. Damals war sie als jüdische Migrantin aus Usbekistan nach Deutschland gekommen. Alleine, ohne ein Wort Deutsch zu können.

„Ich war blauäugig, dachte, ich könnte überall in meinem Beruf arbeiten“, sagt Zinaida  Fomenko. Doch in Deutschland, da gab es keine Arbeitsstelle für sie. Und das, obwohl Zinaida Fomenko 19 Jahre lang in der usbekischen Hauptstadt Taschkent als Gynäkologin in einer rebsstation gearbeitet hatte.

Zinaida Fomenko ist eine freundliche Frau, sie spricht mit schönem russischem Akzent. Manchmal sucht sie nach dem richtigen Wort. Sie habe Usbekistan verlassen, weil nach der Unabhängigkeit 1991 die Lebens- und Arbeitsverhältnisse immer schlechter geworden seien, erzählt sie. In Deutschland lebte sie zunächst von Sozialhilfe, zuletzt hat sie als Putzfrau gearbeitet. „Ich brauchte das Geld, weil ich meine Mutter, meine Schwester und zwei Neffen unterstützen musste, die illegal in Belgien lebten“, sagt sie. Erst vor zwei Jahren habe sich die Situation verändert. „Sie wurden als Asylbewerber anerkannt.“

Dass sie nun doch wieder den weißen Kittel trägt, das verdankt sie einem Modellprojekt in Brandenburg. Denn im Land gibt es seit Jahren einen massiven Ärztemangel. Anfang 2008, da wohnte sie noch in Schleswig-Holstein, erhielt sie einen Anruf aus Potsdam. Eine Freundin sagte: „Die suchen hier Mediziner aus Osteuropa, die wieder in ihrem Beruf arbeiten wollen“.

Zinaida Fomenko bewarb sich bei dem Modellprojekt für Ärzte, die als Zuwanderer oder Spätaussiedler in Brandenburg leben. Sie zog nach Potsdam, um an dem „Integrations- und Qualifizierungsprojekt“ teilzunehmen. Denn ausländische Ärzte dürfen nicht einfach in einem anderen Land praktizieren. Selbst für EU-Ärzte gilt die berufliche Freizügigkeit nicht. Sie  müssen eine deutsche Approbation beantragen.

„An dem Integrations- und Qualifizierungsprojekt haben 21 zugewanderte Ärzte teilgenommen, elf Frauen und zehn Männer“, sagt Claudia Szczes, die Sprecherin des Potsdamer Gesundheitsministeriums. 20 Mediziner stellten sich der Prüfung, 17 bestanden sie auch. „Es ist ein Baustein, um den Ärztemangel in Brandenburg zu beseitigen“, sagt Szczes.

Nach Angaben der Ärztekammer waren im Vorjahr 11.235 Mediziner in Brandenburg gemeldet, doch ein Viertel davon war bereits im Ruhestand. Es waren zwei Prozent mehr als im Jahr davor. „Brandenburg ist das Bundesland, das am schlechtesten mit Medizinern ausgerüstet ist“, sagt Ralf Herre, Sprecher der kassenärztlichen Vereinigung in Brandenburg.

„Wir haben einen akuten Ärztemangel, wir haben aber auch qualifizierte Zuwanderer. Warum also sollen wir dieses Potenzial nicht nutzen?“, sagt Brandenburgs Integrationsbeauftragte Karin Weiss. Damit die Berufsabschlüsse dieser Mediziner anerkannt werden, müssen sie zunächst nach einem zehnmonatigen Lehrgang eine „Kenntnisstandsprüfung“ ablegen. Außerdem kommen die Leute aus der Sozialhilfe heraus“, sagt Karin Weiss. Derzeit gebe es Überlegungen, das Modellprojekt auch für andere Berufsgruppen, etwa Ingenieure und Lehrer aus Osteuropa, aufzulegen.

Das Qualifikationsprogramm begann für Zinaida Fomenko und die anderen mit einem dreimonatigen Sprachkursus. Damit wurden die größten Probleme, die Sprachbarrieren, überwunden. Die Mediziner aus Russland, der Ukraine, aus Turkmenistan, Usbekistan, Kasachstan, Kyrgyzstan und Serbien paukten Fachtermini, diskutierten auf Deutsch Krankheitssymptome. Es folgte ein Praktikum von vier Monaten in einem Krankenhaus. Danach hieß es: Drei Monate lang lernen.

Ende Februar bestand Zinaida Fomenko die Prüfung bei der Ärztekammer. Seit Anfang April arbeitet sie nun als Assistenzärztin in der Gynäkologie in Prenzlau. „Ich bin stolz, dass ich das gemacht habe. Denn mein Beruf ist mein Leben“, sagt die Mutter einer in Moskau lebenden erwachsenen Tochter.

Auch Detlef Lischka ist froh, dass Zinaida Fomenko nach Prenzlau gekommen ist. Er nennt es einen Glücksfall für das Krankenhaus und ein Paradebeispiel für Integration. Lischka ist Verwaltungsleiter im Kreiskrankenhaus. „Wir brauchten dringend jemanden für die Gynäkologie“, sagt er. Mit Frau Fomenko sei die Fachabteilung nun ordentlich besetzt. Es sei wichtig, gerade in Zeiten, in denen es junge Leute woanders hinziehe, die Geburtshilfe in Prenzlau zu erhalten.

Zinaida Fomenko gefällt die Arbeit in Prenzlau. Die Kollegen sind nett. „Das Heimweh ist selten geworden“, sagt sie. Ihr Arbeitsvertrag gilt für drei Jahre. In dieser Zeit will sie sich weiterbilden und ihren Facharzt machen. Sie will in Brandenburg bleiben. Derzeit lebt sie noch in einem Zimmer im Krankenhaus. Sie hat aber bereits eine Wohnung gefunden. „In zwei Wochen kann ich einziehen“, sagt sie. Dann ist Zinaida Fomenko richtig angekommen in Brandenburg. (Katrin Bischoff)
 
Links zum Thema
- Übernahme aus „Berliner Zeitung“

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Vor allem Hausärtzte fehlen
 


Ärztemangel:

In Brandenburg herrscht großer Ärztemangel. Allein bei niedergelassenen
Hausärzten fehlen 160 bis 170 Mediziner.

Altersfrage:

Etwa 38 Prozent der berufstätigen Mediziner sind älter als 50 Jahre. Jeder
Vierte der 11.235 gemeldeten Ärzte war 2008 im Ruhestand.

Modellprojekt:

Das bisher bundesweit einmalige Integrations- und Qualifizierungsprojekt für zugewanderte Ärzte aus Osteuropa dauerte zehn Monate. Es wurde gemeinsam vom
Gesundheitsministerium in Potsdam und der Otto-Benecke-Stiftung in Bonn entwickelt.