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Chancen für die deutsch-russischen Beziehungen

Erstes deutsch-russisches Journalistensymposium
Chancen für die deutsch-russischen Beziehungen Ludmilla Alexejewa beim Journalistensymposium
Foto: KAS

Rund hundert Journalisten aus Deutschland und Russland haben sich in Moskau zum 1. Deutsch-Russischen Journalistensymposium getroffen. Eingeladen hatte die Konrad-Adenauer-Stiftung und der Russische Journalistenverband. Das Thema: „Russland im Wandel – Chancen für die deutsch-russischen Beziehungen“.

Moskau, im November 2008 - Ludmilla Alexejewa blieb gelassen. „Allein die Tatsache, dass wir hier mitten in der Hauptstadt zusammensitzen und über Menschenrechte in Russland diskutieren, zeigt doch, dass sich eine Menge geändert hat.“ Schließlich, so die Vorsitzende der Moskauer Helsinki-Gruppe, sei es noch keine 20 Jahre her, dass sie deswegen mit Ihrer Verhaftung hätte rechnen müssen – und die ausländischen Journalisten, Politiker und Stiftungs-Mitarbeiter im Konferenzsaal zumindest mit ihrer sofortigen Ausweisung.

Der Auftritt der 81-jährigen, die als „große alte Dame“ der russischen Menschenrechts-Szene gilt, war ohne Frage einer der Höhepunkte des Symposiums. Unter dem Titel „Russland im Wandel – Chancen für die deutsch-russischen Beziehungen“ nutzten ein Wochenende lang rund hundert deutsche und russische Journalisten sowie Parlamentarier, Wissenschaftler und Wirtschaftsvertreter die Chance, sich über den dynamischen Wandel und die rasante Entwicklung, die das Land erfährt, auszutauschen und ihre Sichtweisen – zum Teil durchaus kontrovers – zu diskutieren. […]

Dass der Ansatz der Organisatoren, mit dem Symposium ein Forum zu bieten, das einerseits einen offenen und differenzierten Meinungsaustausch über die Entwicklung der deutsch-russischen Beziehungen ermöglichen, andererseits aber auch das gegenseitige Verständnis für die jeweilige Situation in beiden Ländern verbessern soll, genau den Bedarf trifft, zeigte sich schon bei der ersten Podiumsdiskussion. Denn wie sehr die gegenseitige Wahrnehmung von- und übereinander abweicht, hatte Moderator Thomas Gutschker vom „Rheinischen Merkur“, schon vor der Podiumsdiskussion über die Wahrnehmung beider Länder in den jeweiligen Medien anhand von Umfragen des Instituts für Demoskopie, Allensbach, und des Moskauer Lewada-Zentrums, erläutert. Die Diskussionsteilnehmer* füllten die abstrakten Zahlen der Umfrage insbesondere in Bezug auf die Objektivität der Berichterstattung mit Leben.

Anlass war der zweite aktuell-politische Themenschwerpunkt des Symposiums: der bewaffnete Konflikt zwischen Georgien, Süd-Ossetien und Russland im August dieses Jahres. Insbesondere Wjatscheslaw Mostowoj und Matthias Schepp stritten engagiert über die Frage, ob es in Westeuropa – und vor allem in Deutschland – eine angeblich gezielte Medienkampagne gegen Russland gegeben habe. Das oft zitierte Wort vom „Informationskrieg“ um den von Georgien ausgelösten Krieg im Kaukasus setze allerdings voraus, dass es für die Koordination eine Art „Hauptquartier“ gebe, konterte Schepp den Vorwurf Mostowojs.

Ähnlich kontrovers gestalteten sich die weiteren Debatten zum Thema: Während Karl-Georg Wellmann, Bundestagsabgeordneter und Mitglied des Auswärtigen Ausschusses, in einem Vortrag zum Thema „Außen- und sicherheitspolitische Strategien“ vor allem seiner Auffassung Ausdruck gab, in der Kaukasus-Krise hätten die bislang gängigen Wege zur Konfliktvermeidung auf Seiten aller Mitspieler „schlicht versagt“, kamen die Teilnehmer der Podiumsdiskussion „Der Krieg im Kaukasus – Gefahr für die deutsch-russischen Beziehungen“ zu einem etwas differenzierteren Ergebnis.

Die Runde, in der neben Wellmann unter anderem mit Horst Teltschik, ehemaliger außen- und sicherheitspolitischer Berater von Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl, und Konstantin Kosatschow, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses der Duma, zwei erfahrene und gewichtige Beobachter und Gestalter der deutsch-russischen Beziehungen diskutierten, war sich schließlich darin einig, dass voreilige  Schuldzuweisungen weniger hilfreich seien als eine gründliche und gezielte Aufarbeitung vor allem der Vorgänge hinter den Kulissen. „Daraus lassen sich sicherlich für alle Lehren ziehen“, betonte Kosatschow. Lehren, mit denen man offen und transparent umgehen wolle, ergänzte Horst Teltschik. „Schließlich ist Vertrauen die Grundlage aller Zusammenarbeit.“

Dass dies in gleicher Weise auch auf wirtschaftlicher Ebene gilt, machten Alexander Markus von der Deutsch-Russischen Außenhandelskammer und Sergej Nikitin, der die russische Handels- und Industriekammer in Deutschland vertritt, in ihren Vorträgen deutlich. Markus wertete es als „positives Signal“ auch für potenzielle Investoren, dass der neue Staatspräsident Dimitri Medwedew bei seinem Amtsantritt angekündigt habe, den Aufbau der Zivilgesellschaft weiter zu fördern und vor allem gegen Korruption und Rechtsunsicherheiten vorzugehen.

„Das ist ein großes Ziel“, sagte Markus. Neben dem zentralstaatlichen Engagement sei zunehmend auch eine Art „Wettbewerb der Regionen“ zu beobachten: Um Investoren zu locken, seien die Gebiete aus eigenem Antrieb bestrebt, Hindernisse für die Ansiedlung von westlichen Unternehmen zu beseitigen. […]

Darin waren sich russische und deutsche Teilnehmer einig: Das Symposium habe Denkanstöße für das beiderseitige Verständnis gegeben. (Lars Peter Schmidt, Hendrik Sittig, Lars Radau)

*)
- Wjatscheslaw Mostowoj, Vize-Generaldirektor des Fernseh-Senders „TV Zentr“,
- Alexander Kljukin, stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Informationspolitik der Staatsduma,
- Matthias Schepp, Leiter des Moskauer Spiegel-Büros,
- Elmar Brok, außenpolitischer Koordinator des Europäischen Volkspartei im Europäischen Parlament,
- Rainer Seele, Sprecher der Geschäftsführung der Wingas GmbH

 
Links zum Thema
- Russland im Wandel (pdf)

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