ORNIS-PRESS
ORNIS-PRESS
ORNIS-RSSORNIS-RSS|ORNIS InfoBriefORNIS InfoBrief|  

Sie sind hier: Startseite ›› Themen und Berichte ›› Kultur

Schrift: kleiner | normal | größer

"Borsch für Anfänger"

Tatjana Triebelhorn über Zweisprachigkeit
"Borsch für Anfänger" Tatjana Triebelhorn
Foto: Konstantin Ijulski

Es ist verbrieft, dass Tatjana Triebelhorns Buch „Borsch für Anfänger“ zu den schönsten Büchern Deutschlands zählt. Die Auszeichnung erhielt die Diplom-Designerin vor zwei Jahren. Damals hatte ihre Arbeit noch keinen Verlag gefunden. Inzwischen ist noch eine weitere Ehrung hinzugekommen. In „Borsch für Anfänger“ geht es um Sprache, besser: um Zweisprachigkeit.

Nürnberg, im Mai 2008 – Es sind eigene Erfahrungen, die die Stuttgarter Autorin verarbeitet hat. Als Diplomarbeit an der Fachhochschule Würzburg entstanden, erhielt ihr Projekt 2006 von der Stiftung Buchkunst die Anerkennung als eines der „schönsten Bücher Deutschlands“. 2007 wurde die Arbeit im internationalen Wettbewerb „Best Bookdesign From All Over The World 2007“ mit Bronze ausgezeichnet. Als einzige Eigenproduktion konnte sich „Borsch für Anfänger“ unter mehr als 900 Einsendungen aus 33 Ländern behaupten.

Tatjana Triebelhorn gliedert ihr Buch in zwei Teile. Zunächst werden strukturelle und grammatische Besonderheiten der beiden Sprachen – Russisch und Deutsch - behandelt. Kurze prägnante Texte informieren und vergleichen beide Sprachen miteinander. Grafiken unterstützen die Texte. Im zweiten – literarischen - Teil werden die sprachlichen Merkmale im Kontext kultureller Hintergründe vertieft: Mit Humor und Witz schildert Triebelhorn Erlebnisse der Russlanddeutschen in der neuen Heimat Deutschland.

Buchumschlag "Borsch für Anfänger"

Und doch steht die Unterhaltung nicht im Vordergrund. Einfach lustige Geschichten zu erzählen, reichte der Autorin nicht: „Mein Anliegen war, durch den Vergleich der beiden Sprachen und Denkweisen ein gegenseitiges Interesse für die andere Sprache zu wecken.“ Die deutschsprachige Leserschaft für die  russische Sprache zu gewinnen, war eine Sache - den russischsprachigen Lesern  die deutsche Sprache und vor allem das Lesen in dieser Sprache zugänglich zu machen, eine andere.

Tatjana Triebelhorn wurde 1980 in Rudny/Kasachstan geboren und wuchs in Staryj Oskol (Russland) auf. Ende der neunziger Jahre wanderte die Familie nach Deutschland aus. Die Geschichte ihrer Eltern und Großeltern gleiche der  vieler russlanddeutscher Familien, mit Deportation, Verfolgung und Sprachverlust. „Meiner Generation ging die deutsche Sprache leider verloren. Ich musste hier von vorne anfangen. Und geschenkt bekommt hier keiner von uns etwas.“

Integration sei für sie dabei kein vorrangiges Ziel gewesen: „Außerdem ist das Wort Integration an sich schon so verbraucht, dass es kaum zu gebrauchen ist. Ich wollte eben etwas erreichen und habe mich dafür ziemlich anstrengen müssen. Auch im Berufsleben muss ich mich als ‚Deutschrussin’ behaupten.“

So ist das Buch auch Produkt der Auseinandersetzung mit der eigenen  Zweisprachigkeit: „Es sind autobiografische Häppchen, wie Nabokov sagen würde.“ Zu der Authentizität der Geschichten zitiert sie sich selbst: „Außer Picasso sind alle Charaktere in diesem Buch frei erfunden. Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen sind nicht beabsichtigt. Alle Geschichten sind jedoch wahr. Außer die von Picasso.“

Worauf es ihr ankommt: „Je umfassender die Kenntnis der anderen Kultur und somit auch der Sprache, desto mehr Feinheiten zeichnen sich ab, die bereichern und beglücken. Das, was früher einem fremd und unsinnig vorkam, wird nachvollziehbar und gewinnt an Bedeutung. Es lassen sich Parallelen und Vergleiche ziehen, die es erlauben, auch den eigenen kulturellen Hintergrund besser zu verstehen. Ziel der Arbeit ist, eine Möglichkeit für den Einstieg in die andere Sprache (Russisch/Deutsch) und Denkweise zu bieten.“

Tatjana und Roman Triebelhorn
Foto: Konstantin Ijulski

Anfangs wurde das Buch in einer kleinen handgefertigten Auflage von 30 Exemplaren in Eigenregie hergestellt. Ihr Mann Roman, ebenfalls Designer, hat sie unterstützt und eigene Texte beigesteuert. Nach der internationalen Anerkennung suchten die Triebelhorns nach einer Möglichkeit, das Buch in einer größeren Auflage herauszugeben. So entdeckten sie auf der Buchmesse in Leipzig den Stand der „Initiative Buchkultur“. Schließlich ist „Borsch für Anfänger“ mit Unterstützung durch die Initiative im Llux Verlag Ludwigshafen  erschienen.

Gefördert wurde aber nicht nur die Herausgabe des Buches, Tatjana Triebelhorn stellt ihre Arbeit häufig bei Lesungen vor, auch in Schulen und Berufsschulen. Ihre Auftritte inszenieren Tatjana und Roman Triebelhorn fast wie Sprechtheater. „Ziel der Lesungen ist weniger die Buchpromotion, sondern die kleinen Erfolge. Manche nutzen dieses Buch, um zum Beispiel ihre Eltern zu überzeugen, mehr in deutscher Sprache zu lesen, denn viele isolieren sich selbst durch Bekanntenkreis, russisches TV, russischsprachige Zeitungen und eben Bücher. Andererseits möchten wir, dass durch die Diskussionen auch so manches Klischee bröckelt“, sagt Tatjana Triebelhorn.

Über eine Fortsetzung wird bereits nachgedacht. „Wir sammeln weiterhin Material und sind auch auf die Hilfe von außen angewiesen.“ (Nina Paulsen)

Tatjana Triebelhorn
Borsch für Anfänger
Ludwigshafen 2007
112 Seiten, 24,90 Euro
ISBN: 978-3-938031-22-3

 
Links zum Thema
- Stiftung Buchkunst
- Kontakt zu Tatjana Triebelhorn

Weitere Fotos zum Artikel



Nach oben
Artikel bookmarken:
Diese Seite zu Mister Wong hinzufügen My Yahoo

Aus der Begründung der Jury: „Die Vorgehensweise der Künstlerin wird in diesem Buch sehr schön abgebildet und nachvollziehbar gemacht. Sie nähert sich ihrem Sujet quasi von außen durch die Schrift und zeigt dies durch typografische Übungen mit viel Temperament und Emotion."

mehr